Judensiegel in Aschkenas (1348-1390)

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Judensiegel 2, Nr. 14

1374 Mai 25

Siegel des Koblenzer Juden Leo von Münstermaifeld:

Umschrift: [ב''ר אברהם שו[שן עמק […] ([…], Sohn des Herrn Abraham Scho[schan Emek?]). (1)

(1) Nach dem Patronym folgt entweder eine Segensformel, שי (er möge leben); wahrscheinlicher aber muss […]שו (Scho[…]) gelesen werden, was dann שושן עמק (Schoschan Emek) entspräche. Wenn dies zutrifft, dann war auch Leo von Münstermaifeld Angehöriger der bedeutenden Familie, die sich hebräisch Schoschan Emek (Rosental) und im Alltag Bonenfant ('Gutkind') nannte.

Überlieferung:

Koblenz, LHA, Best. 612, Nr. 838, hebr.

  • Friedenberg, Seals (1987), Nr. 116, S. 224 (mit Abb.);
  • Avneri, Seals (1967), Nr. 46, S. 168 (mit falscher Lesung).
  • Monumenta Judaica Katalog, B, Nr. 179;
  • Urkunden der Stadt Andernach, Nr. 522, S. 46.
  • Ziwes, Reynette (2005);
  • Escher-Apsner, Stadt und Stift (2004), S. 235-237;
  • Ziwes, Kapitalmarkt (1996), bes. S. 62-65;
  • Burgard, Geschichte (1996), S. 366;
  • Ziwes, Reynette (1994), S. 25-40;
  • GJ 3, 1, S. 626;
  • Von den Brincken, Judensiegel (1963/64), Nr. 12, zwischen S. 416 und 417 (mit Abb.), und 424.

Kommentar:

Beschreibung: Das Siegel ist stark fragmentiert, abgerieben und durch Druck oder Hitze verformt; Dm: 18 mm (Abdruck); Material: Wachs; Form: rund.

Siegelbild: Ein spitzer Wappenschild, darin befindet sich ein nach rechts steigender Löwe (und viellecht ein Stern oder eine Kugel).

Das Siegel wurde sehr wahrscheinlich als redend verstanden, da der Löwe das Symbol für den Beinamen Leo ist. Der Sakralname Leos kann aus der Umschrift nicht mehr gelesen werden; vgl. auch das sehr ähnliche Siegelbild des (Ober-) Lahnsteiner Juden Vyfegin von 1397 XII 26 (JS03, Nr. 21), dessen Löwe einen Judenhut trägt. Da Leos Siegel in sehr schlechtem Zustand ist, ist es möglich, dass der Löwe auch dort einen Judenhut trägt.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Leo von Münstermaifeld der bedeutenden Familie Schoschan Emek (Rosenthal) zuzurechnen ist, deren Angehörige in den Urkunden stets den Familiennamen Bonenfant ('Gutkind') führten, und Leo somit ein Verwandter Mose Bonenfants / Schoschan Emek (Rosenthal) war. Brüder waren sie jedenfalls nicht, da Leo seinen Vater im Siegel als Abraham und Mose seinen Vater im Siegel als Jakob bezeichnete.

Leo kann als bedeutender Geldleiher für die Stadt Andernach von 1361 III 9 bis 1365 mit 20 Geldgeschäften nachgewiesen werden; vgl. Escher-Apsner, Stadt und Stift (2004), S. 235-237 (dort auch weitere Literatur). Seit 1368 übernahm seine Frau Reynette alle Geschäfte mit der Stadt. Entweder war Leo zwischenzeitlich verstorben oder Reynette hatte nach einer Scheidung die Andanacher Geschäfte erhalten. Ziwes, Reynette (1994), S. 31,geht davon aus, dass Leo '1365 oder 1366' verstorben ist. Spätestens seit 1373 V 10 war Reynette schon mit Mose Bonenfant bzw. Schoschan Emek (Rosenthal) verheiratet. Dies belegt das neu aufgefundene Trierer Zinsregister (Bonn, ULB, S 1571), Nr. 1139, fol. 71v: Moysi Iudeo et Reynette coniugibus. Eine Edition des Zinsregisters ist derzeit in Bearbeitung. Seit ihrer Wiederverheiratung wurde Reynette bei gemeinsamen Geschäften unter dem Siegel ihres neuen Ehemanns Mose mitaufgeführt (JS02, Nr. 21). Bei alleine getätigten Geschäften ließ sie entweder Dritte siegeln, etwa 1369 XII 12 (Koblenzer Offizial), 1373 III 6 (Koblenzer Schlutheiß), 1373 III 28 (Propst zu Oberwesel), 1375 IV 2 (Schöffen zu Güls) und 1382 II 2 (Schöffen zu Münstermaifeld), verwendete das Siegel ihres ersten Mannes Leo, so sehr wahrscheinlich 1371 XII 14 (JS02, Nr. 32, Siegel verloren) und sicher in der vorliegenden Urkunde, oder das Siegel ihres zweiten Mannes Mose, so 1379 V 2 (JS02, Nr. 26). Dies belegen die Siegelumschriften für 1374 V 25 (Leos Siegel) und 1379 V 2 (Moses Siegel) eindeutig.

Drei Urkunden, deren Siegel verloren sind, wurden von Reynette alleine ausgestellt und datieren auf 1371 XII 14 (JS02, Nr. 32, Siegel verloren), 1375 II 7 (JS02, Nr. 17, Siegel verloren) sowie 1378 IV 15 (JS02, Nr. 23, Siegel verloren). Diese Urkunden trugen damit entweder das Siegel Leos oder dasjenige Moses. Die Frage, wessen Siegel Reynette 1371 XII 14, 1375 II 7 und 1378 IV 15 verwendete, kann deshalb nicht sicher beantwortet werden, weil sie 1379 V 2 (JS02, Nr. 26) eine weitere Urkunde alleine ausstellte und nun das Siegel Moses anhing. Damit nutzte Reynette also nicht nur bei den vor ihr alleine getätigten Geschäften das Siegel Leos, sondern auch das Siegel Moses. Reynette hatte offenbar die nötige Rechtskraft, um diese Siegel eigenständig zu führen und sogar im Falle Leos zu übernehmen (Siegelübernahme). So kündigte sie ihr Siegel in allen fünf alleine ausgestellten Urkunden an als min Ingesigel (1371 XII 14), myn ingesiegel (1374 V 25), mine selbes Ingesiegel (1375 II 7 ), myne selbes Ingesigel (1378 IV 15) und myne selbes Ingesigel (1379 V 2).

Mose fiel mit seiner Heirat Reynettes das Erbe Leos zu, das seine neue Frau mit in die zweite Ehe brachte. 1379 verkaufte Mose ihm so zugefallenen Besitz, der vormals Leo gehörte; vgl. Escher-Apsner, Stadt und Stift (2004), S. 235-237, und zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Münstermaifeld auch Burgard, Geschichte (1996).

Zur Urkunde, an der das Siegel hängt, vgl. #0000# zu 1374 V 25.

(ale.) / Letzte Bearbeitung: 06.04.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, JS02, Nr. 14, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/JS02/JS-c1-000r.html (Datum des Zugriffs)

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