Quellen zur Geschichte der Juden in Westfalen

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Westfalen 1, Nr. 58

[zwischen 1311 und 1326], Hameln

Der Judeneid der Stadt Hameln ist undatiert im Donat der Stadt überliefert. (1) Er besteht aus einem lateinischsprachigen Vorspann, der Ausführungsbestimmungen enthält, und dem niederdeutschen Eidtext. Den eigentlichen Ausführungsbestimmungen geht voran die Bekräftigung, dass der Eid in der Synagoge zu leisten ist (synagogam iudeus intrabit, cum facere det iuramentum), und der Hinweis darauf, dass der Eid durch die römischen Kaiser festgesetzt und seit jeher in ganz Deutschland streng beachtet wurde (per inclitos romanorum imperatores est constitutum et ex antiquis temporibus in tote terra theutonica firmiter observatum iudeorum iuramentum infra scriptum).

Die Vorgaben zum Vollzug des Eides sind detailliert:

1. Der Jude soll mit dem Richter und dem Kläger die Synagoge betreten (primo intret synagogam iudeus cum iudice et actore).

2. Nachdem der Jude die Schuhe ausgezogen hat, soll er barfuß stehen und die ganze rechte Hand bis an das Gelenk in das Buch Leviticus legen. Das Buch soll geschlossen werden (exutis calceis nudis pedibus stet et imponet dexteram manum usque ad membrum brachii totam in librum Levitici, et claudatur liber).

3. Ein Geistlicher soll dem Juden den Eid vorsprechen. Jedesmal wenn der Jude zögert und wenn der Vorsprecher ihm zum dritten Mal vorgesprochen hat und wenn der Jude nicht fehlerfrei mit Worten gefolgt ist, soll der Eid von vorne beginnen und genauso oft soll der Jude dem Richter ein Pfand übergeben (et incipiet clericus prenarrare iuramentum iudeo, et quociensque judeus hesitaverit et prenarrans illud ei tercio predixerit nec iudeus ipsum verbis secutus fuerit, tociens ab inicio incipietur iuramentum, et tociens iudeus porriget pignus iudici).

4. Der Jude soll dem den Eid vorsprechenden Geistlichen für seine Arbeit ein Pfund Pfeffer oder einen gleichwertigen Lohn geben (clerico vero prenarranti iuramentum pro labore suo dabit talentum piperis vel precium equipollens).

5. Der Eid muss in fester Form auf das Buch Exodus geleistet werden (et in libro, qui hebrayce dicitur Elesmod (2), iurandum est et non alio in hunc modum).

In dem anschließenden, in niederdeutsch verfassten, dreiteiligen Judeneid (Der Joden eet) folgen auf die Unschuldserklärung mit Anrufung Gottes und des mosaischen Gesetzes eine siebenfache Selbstverfluchung und schließlich eine Bekräftigungsformel unter Anrufung Gottes und der fünf Bücher Moses (dat di God so helpe unde de vif boke Moyseses). (3)

(1) Die Urkunden und Bestimmungen im Umfeld des Judeneides sind auf die Jahre 1311 bis 1326 datiert (vgl. unter anderem WF01, Nr. 78, WF01, Nr. 101 und WF01, Nr. 90); so dürfte auch die Niederschrift des Judeneids aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts stammen; vgl. Zimmermann, Entwicklung (1973), S. 113.

(2) Nach dem Beginn des Buches (Schemot).

(3) Vgl. auch den Judeneid im Weseler Bürgerbuch, um 1322 (WF01, Nr. 97) und den Dortmunder Judeneid, zwischen 1280 und 1310 (WF01, Nr. 5); dazu Bernstein, Judeneide (1922), S. 25-34 und 36.

Überlieferung:

Hameln, StadtA, Best. 190, Nr. 1, S. 99, [264], Orig., dt. und lat., Perg.

Kommentar:

Zum Donat vgl. WF01, Nr. 37.

(jde.) / Letzte Bearbeitung: 20.12.2023

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WF01, Nr. 58, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WF01/WF-c1-0038.html (Datum des Zugriffs)

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