Internationaler Workshop in Prag

20.03.2014, in: Vortrag

Vom 27. bis zum 29. November 2013 nahmen Angehörige des Akademieprojekts an dem von den tschechischen Kooperationspartnern in Prag veranstalteten Workshop „Juden in der mittelalterlichen Stadt. Der städtische Raum im Mittelalter – Ort des Zusammenlebens und des Konflikts“ teil.

Dr. Jörg Müller beim Vortrag
Prof. (em.) Dr. phil. Dr. h.c. Alfred Haverkamp und Prof. (em.) Dr. František Šmahel

Unter der Leitung von Dr. Eva Doležalová fand im November ein gemeinsam vom Historischen Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik und dem Zentrum für mittelalterliche Studien der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik und der Karlsuniversität in Prag veranstalteter und von der Tschechischen Wissenschaftsstiftung geförderter internationaler Workshop im nahe des Altstädter Rings in Prag gelegenen Zentrum  für mittelalterliche Studien zum Thema „Juden in der mittelalterlichen Stadt. Der städtische Raum im Mittelalter – Ort des Zusammenlebens und des Konflikts“ statt.

Der Workshop diente insbesondere zur Diskussion der bislang gewonnenen Erkenntnisse aus dem zum 1. März 2011 von der Tschechischen Wissenschaftsstiftung bewilligten Projekt „Coexistence of the Christian and Jewish Population in Medieval Bohemia (1273–1390)“, mit den Forschungsergebnissen zu diversen Aspekten jüdischen Lebens in den Städten des spätmittelalterlichen Reiches vornehmlich im 14. Jahrhundert. Die von den tschechischen Kooperationspartnern bearbeiteten Quellengrundlagen gehen im Übrigen in das von der Union der Akademien geförderte Mainzer Akademievorhaben „Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich“ ein. Die Mehrzahl der 14 Vorträge (vgl. unten) wurde von Mitarbeitern des Prager Kooperationsprojekts (Martin Musílek, Dr. Tamás Visi, Dr. Lenka Blechová, Dr. Eva Doležalová) und einem Kreis von drei Trierer und einem Münsteraner Beteiligten des Mainzer Akademievorhabens bestritten.

Den Abendvortrag anlässlich der Eröffnung der Tagung hielt der Projektleiter Prof. (em.) Dr. phil. Dr. h. c. Alfred Haverkamp über die „Städte im ‚Corpus der Quellen‘. Zur Geschichte der christlich-jüdischen Beziehungen, des Judentums und des Christentums im spätmittelalterlichen Reich“, in dem er neben einer Präsentation des Projekts und seiner Grundlagen die weitreichenden europäischen Horizonte des Akademievorhabens und die herausragende Rolle aufzeigte, die die christlich-jüdischen Beziehungen nicht nur für die religiöse Minderheit, sondern auch für die Mehrheitsgesellschaft(en) spielte, wobei er sich auf ausgewählte städtische Beispiele konzentrierte.

Der unzureichenden einschlägigen Quellenüberlieferung vor allem des späten 13. Jahrhunderts sowie der Bedeutung jüdischer Präsenz für die städtische Entwicklung zahlreicher Siedlungen im Süden des Reiches widmete sich insbesondere auf Grundlage der Nachrichten zu den Rintfleischverfolgungen von 1298 der Projektmitarbeiter Dr. Jörg Müller in seinem Beitrag „Juden und Urbanisierung: Probleme der Überlieferung am Beispiel der Region Franken“.

David Schnur, Doktorand am Trierer Arye Maimon-Institut und Autor des bereits online publizierten Teilcorpus „Quellen zur Geschichte der Juden in der Wetterau (1273–1347)“ mit weit über 3000 Einzelbelegen, verdeutlichte anhand zahlreicher bislang noch nicht ausgewerteter Quellen zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Wetzlar die Beweggründe, die 1382 zur Neugründung der dortigen Judengemeinde führten. Die von David Schnur verwendeten Quellen bilden zugleich einen Teil der von ihm zurzeit bearbeiteten Quellen zur Wetterau für die zweite Untersuchungsphase des Projekts (1348–1390).

Dr. Christian Scholl, mittlerweile an der Universität Münster tätiger, ehemaliger Mitarbeiter des Arye Maimon-Instituts für Geschichte der Juden und Autor des Teilcorpus „Quellen zur Geschichte der Juden in den schwäbischen Reichsstädten Esslingen, Nördlingen und Ulm (1273–1347)“, untersuchte unter Verwendung des noch jungen Konzepts der „Verflechtungsgeschichte“ wechselseitige Austauschprozesse zwischen Christen und Juden in ausgewählten Städten des mittelalterlichen Reichs.

Die Beiträge des Workshops sollen unter Berücksichtigung der äußerst anregenden Diskussionen noch im Jahre 2014 publiziert werden.

Übersicht über die Vorträge:

Alfred Haverkamp, „Städte im ‚Corpus der Quellen‘. Zur Geschichte der christlich-jüdischen Beziehungen, des Judentums und des Christentums im spätmittelalterlichen Reich“

František Šmahel, „Einführung“

Jiří Knap, „Die Juden in der Chronica Bohemorum. Cosmas‘ Bericht über den Pogrom während des Ersten Kreuzzuges“

Jörg Müller, „Juden und Urbanisierung: Probleme der Überlieferung am Beispiel Frankens“

Martin Musílek, „Juden und Christen in der mittelalterlichen Prager Altstadt. Koexistenz oder Konfrontation?“

Milan Žonca, „Jews as Members of the Urban Community in Pre-Hussite Prague“

Tamás Visi, „Rabbinic Sources about Jews in Moravia, 12th–15th Centuries“

Lenka Blechová, „The Position of the Jewish Minority in the Diocese of Olomouc in the Second Half of the 14th Century“

Eva Doležalová, „Die Erneuerung der jüdischen Gemeinden in den Städten der böhmischen Kronländer nach den Pogromen des 14. und 15. Jahrhunderts“

David Schnur, „Uff daz dieselbe stat user den schulden desterbus komen moge. Zur Wiederansiedlung von Juden in der Reichsstadt Wetzlar in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts“

Lenka Uličná, „Language of Jewish Communities in Bohemia in 13th Century“

Christian Scholl, „Materielle Zeichen christlich-jüdischer Verflechtungen in der mittelalterlichen Stadt“

Petr Schneider, „Ein Fund von Brakteaten mit hebräischer Umschrift aus der Nähe von Ernestinenberg bei Mikulov. Hebräische Brakteaten im mitteleuropäischen Münzwesen“

Roman Zaoral, „Financial Conditions in Early 15th Century Olomouc in the Light of the Jewish Register“

 

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