Judensiegel in Aschkenas (1273–1390). Zur Einführung (von Andreas Lehnertz)

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I. Beschreibung des Corpus’

Das Aufkommen der jüdischen Siegelpraxis im Regnum Teutonicum geschah in der Blütezeit des europäischen Siegelwesens1) (13. Jahrhundert) und kann aufgrund der schwierigen Quellenlage sowie der schwachen Überlieferung der frühesten Judensiegel nicht mehr rekonstruiert werden. Gleiches gilt auch für die christlich-bürgerliche Siegelpraxis2), zu der die etwa zeitgleich entstandene jüdische ihre stärksten Parallelen besitzt. Ein innerjüdisches Siegelwesen hat es im Reich allerdings nie gegeben, denn hebräische Urkunden wurden stets unterschrieben, nicht gesiegelt. Damit ist ein zentrales Charakteristikum der Verwendung von Judensiegeln benannt: Sie wurden nur im engen Kontakt mit Christen verwendet – und zwar von einer jüdischen Elite in Verbindung mit ihren Beziehungen zu christlichen Bürgern und Adligen.

Die Edition der beiden vorliegenden Teilcorpora zu den Judensiegeln umfasst die Zeitphasen von 1273–1347 sowie 1348–1390.3) Dabei beginnt die erste Zeitphase mit dem frühesten erhaltenen Judensiegel aus Aschkenas aus dem Jahre 1297.4) Das erste Siegel der zweiten Zeitphase – dasjenige des Trierer Juden Jakob Daniels5) – stammt noch aus der Zeit vor den Pogromen, da diese in Trier im August des Jahres 1349 stattfanden.6) Danach sind bis 1352 keine Judensiegel bezeugt. Auch sind keine Siegelführer bekannt, die vor und nach den Pogromen siegelten, wohl aber Siegelführer, die Überlebende waren.

Erfasst wurden alle als „echte Judensiegel“ ermittelbaren Siegel7) mitsamt der offenbar für Judenschulden verwendeten städtischen Siegel AD DEBITA8), aber ohne Siegel von Siegelführern, die lediglich aufgrund ihrer vermeintlich „jüdischen Symbolik“9) oder Markern wie „IVD(EVS)“10) u. a. in der Vergangenheit von der Forschung als Judensiegel bezeichnet wurden.11) Weitere Judensiegel, auf die durch Corroborationes der Urkunden bzw. aus der Kopialüberlieferung geschlossen werden kann, wurden nur dann aufgenommen, wenn sie beschrieben werden konnten anhand von weiteren noch (teilweise) erhaltenen Abdrücken oder mithilfe älterer Literatur.12) Andernfalls konnte nicht mit Sicherheit bestätigt werden, dass es sich auch tatsächlich um siegelführende Juden handelte, da vielfach Fälle überliefert sind, in denen Juden ihr Siegel ankündigten, dann aber unterschrieben oder Dritte siegeln ließen.13) Die Gründe dafür werden in der Urkundenausfertigung zu suchen sein, wobei offenbar nicht immer ganz klar war, wie die Beglaubigung letztlich aussehen würde. Damit erscheint der Kreis der siegelführenden Juden kleiner als er zweifellos war. Auch wird die Anfertigung eines Siegelstempels oder -ringes darauf schließen lassen dürfen, dass regelmäßig damit gesiegelt wurde. Deutlich mehr Siegelführer sind mit nur einem einzigen Abdruck ihres Siegels (47) auf uns gekommen denn mehrfache Abdrücke des gleichen Siegels (27). Der Überlieferungsverlust muss also als sehr hoch erachtet werden und liegt begründet im Zweck der Urkunden, die beglaubigt wurden: In den meisten Fällen handelt es sich um Schuldenregelungsangelegenheiten (Quittungen).14)

Insgesamt konnten somit für beide Untersuchungszeiträume 94 Judensiegel (teils anhand mehrfacher Abdrucke belegt) sowie zwei für Judenschulden verwendete städtische Siegel (AD DEBITA) 15) ermittelt und in das Siegelcorpus aufgenommen werden.16) Den überwiegenden Teil der Judensiegel bilden Privatsiegel; nur bei dreien handelt es sich um Gemeindesiegel.17) Gerade diese überlieferten Gemeindesiegel zeigen, dass die jüdische Gemeinde als gleichwertiger Partner in einem Vertrag mit einer Stadt hervortreten konnte, wenn dies auch nicht durch den Urkundentext explizit ausgedrückt wird. Das Gemeindesiegel, das neben dem christlichen Stadtsiegel für die Beglaubigung des gemeinsamen Vertrages verwendet wurde, repräsentiert öffentlichkeitswirksam diese Gleichgewichtung zwischen den Vertragspartnern christliche Stadtgemeinde und jüdische Gemeinde.

Bis auf einen Siegelstempel18) befindet sich jedes der beschriebenen Siegel an seiner Urkunde oder ist gänzlich verloren gegangen. Abgefallene oder abgeschnittene Siegel konnten in den Siegelsammlungen der Archive nicht nachgewiesen werden, sind aber bei den schwierigen Recherchebedingungen nicht auszuschließen. Mit der zweiten Zeitphase sind neben abhangenden Siegeln (an Presseln) erstmals auch aufgedrückte Judensiegel vorhanden (sowohl rücklings als auch unter dem Urkundentext und als Verschlusssiegel aufgedrückt).19) Dass nun auch aufgedrückte Judensiegel überlieferten sind, liegt an der schrittweisen Umstellung von Pergament auf Papier als Schreibmaterial, da Siegel sich auf Papier besser durch Aufdrücken befestigen lassen und ein umständliches Anhängen an Presseln nicht mehr nötig war. Auch könnten Papierpresseln die Siegel gar nicht tragen, was ein zu hohes Risiko der Beschädigung einer Urkunde mit einhergehendem Verlust der Rechtskraft zur Folge hätte.

Der in Trier gefundene Siegelstempel20) des Juden Muskinus aus einem jüdischen Grab, welcher der bisher einzige bekannte jüdische Siegelstempel aus Aschkenas für die beiden Zeiträume bis 1390 ist, deutet auf eine weitere Parallele zur christlichen Praxis hin: Offenbar war es auch bei Juden möglich, dass Siegelstempel nach dem Ableben des Siegelführers zerschlagen und in das Grab beigegeben wurden.

Typologisch finden sich unter den Urkunden Schuldenregelungen (56), Verzichtserklärungen bzw. Urfehdebriefe (8), Reversalien (6), Immobilien (2), Schutzbriefe (2), Bürgschaft (1) und Einbürgerung (1).21) Damit liegt der Schwerpunkt der überlieferten Judensiegel im Bereich der Geldleihe.22) Juden und Jüdinnen konnten unter ihrem Namen rechtlich tätig werden, als Urkundenaussteller fungieren und alleine, gemeinsam mit weiteren Juden oder zusammen mit Christen siegeln. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass bei mehreren Siegelführern eine spezifische Reihenfolge, den Urkundenformularen der Corroborationes entsprechend, bezüglich des Anhängens der Siegel eingehalten wurde. Aus diesem Grund werden in der vorliegenden Edition auch die Positionen der Judensiegel (Siegel 1, Siegel 2, usw.) angegeben.23) Belegte Siegeltypen sind redende Siegel, Symbol-, Ornament-, Wappen- und Familiensiegel.24) Diese Typen wurden stets bei der Siegelbeschreibung genannt.

Die Belege sind tendenziell über das gesamte Reichsgebiet verstreut, konzentrieren sich aber in den Regionen von Rhein und Donau (Altsiedellande), was sich mit dem Siedlungsgefüge jüdischer Gemeinden im untersuchten Zeitraum deckt.25) Damit ist eine starke Streuung der jüdischen Siegelpraxis zu beobachten.

Eine längere Unterbrechung der Überlieferung kann für die Jahre zwischen 1308 und 1325 konstatiert werden.26) Schon bald nach den gravierenden Pogromen im Umfeld des Schwarzen Todes sind erneut die ersten Judensiegel überliefert. Das früheste ist dasjenige des Zürcher Juden Vivlin ben Mosche von 1352 Juni 2127), der gegenüber der Stadt gemeinsam mit seiner Schwester auf sein Erbe verzichtete, das durch die Ermordung seines Vaters beim „Zürcher Judenbrand“ anstand. Reversalien für die Stadt wegen Aufnahme in die jüdische Gemeinde in Regensburg28) und ein Einbürgerungsgesuch in Straßburg29) folgen in den 1350er und 1360er Jahren.

Insgesamt wurden 29 Archive benutzt, wobei der Schwerpunkt der Judensiegel-Betreffe auf dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv München sowie dem Landeshauptarchiv Koblenz lag. Bezogen auf die Archive ist die Streuung der Belege in der zweiten Bearbeitungsphase höher als in der ersten.

II. Editions- und Forschungsstand

Überrascht stellten Siegelkundler im ausgehenden 19. Jahrhundert fest, dass auch Juden im mittelalterlichen Reich eigene Siegel führten.30) Ein erster Aufsatz, der sich kurz mit drei aschkenasischen Judensiegeln an einer Urkunde befasste, wurde 1882 publiziert.31) Ihm folgten eine knappe Dissertation zum Siegel- und Wappenwesen bei Juden32), ein auf die Judensiegel der Rheinlande begrenzter Aufsatz33), eine unvollständige Liste der aschkenasischen Judensiegel34), ermittelt im Rahmen der Arbeiten am zweiten Band des historisch-topographischen Standardwerks Germania Judaica35), sowie eine erste, vielfach leider ungenaue und fehlerhafte Edition der europäischen Judensiegel von Friedenberg36). Auf Basis dieser Edition erschienen zwei Aufsätze, von denen sich einer nur mit einem einzelnen Judensiegel befasste37) und der andere lediglich schon bekanntes Wissen summarisch referierte.38) In den bisher vorliegenden Arbeiten konnte weder das große Corpus der noch heute überlieferten Judensiegel ermittelt und kritisch ediert werden39) noch stellen die genannten Arbeiten eine sichere und zuverlässige Grundlage für weitere Forschungen dar, zumal rechtliche Aspekte und christlich-jüdischer Gemeinsamkeiten in den Siegelbildern nur ungenügend40), regional begrenzt41) oder anhand eines einzigen Siegels42) angedeutet wurden. Forschungsimpulse aus der Sphragistik, die das Verständnis um die Judensiegel bereichern können, wurden bisher in keiner der genannten Studien erkennbar aufgenommen. Für den französischen Raum ist vor allem ein Aufsatz von Bedos-Rezak zu nennen43), der auch eine Edition der ermittelten französischen Judensiegel enthält; für Spanien die Edition der spanischen Siegelstempel44), in welcher auch jüdische enthalten sind, sowie die erfassten Siegel der oben genannten Edition europäischer Judensiegel.45)

III. Äußerer Charakter der Judensiegel

Die belegten Judensiegel haben einen Durchmesser von 18–36 mm bei Privatsiegeln, 40–48 mm bei den beiden überlieferten Gemeindesiegeln und 32 mm bei den städtischen Siegeln AD DEBITA. Die Siegel wurden stets in Wachs gedrückt. Bis auf ein spitzovales Siegel46) sind alle erfassten Judensiegel rund. Die jüdischen Siegelumschriften unterscheiden sich stark von den christlichen.47) Sie besitzen vielfach einen repräsentativ zweisprachigen Charakter. Allerdings sind die Umschriften fast immer rein Hebräisch (14 Siegel) oder bilingual (Hebräisch und Latein oder Mittelhochdeutsch, 5 Siegel).48) Die städtischen Siegel AD DEBITA haben eine lateinische Umschrift; drei Siegel haben gar keine Umschrift (Ornamentsiegel) und bei sechs Siegeln kann die Umschrift nicht mehr gelesen werden. Ihre Parallelen besitzen die hebräischen Umschriften in den Grabinschriften der Steine jüdischer Friedhöfe49) und den hebräischen Unterschriften. Sie folgen zumeist festgelegten Schemata, welche aus dem Namen des Siegelführers sowie dem Patronym inklusive eines Titels für den Vater50) (gelegentlich mit Familiennamen) und einer Segensformel51) bestehen. Die lateinischen Umschriften oder Seiten der Umschriften zeigen in der Regel das Schema: S(IGILLVM), Name des Siegelführers und zuweilen noch den Herkunftsort des Siegelführers.52) In Regensburg erscheinen zusätzlich einige Judensiegel mit hebräischer Umschrift, die dennoch das lateinische S(IGILLVM) nennen, und zwar auf der hebräischen Seite und damit als Ersatz für das Hebräische „chotam“ (חותם). Grund dafür wird die kürzere Form sein. Der enge Raum in der Siegelumschrift zwang die Auftraggeber zur Kontraktion, wie dies auch von den Umschriften des christlichen Siegelwesens bekannt ist.

Die Siegelbilder, welche – der Mode entsprechend53) – sehr oft einen Schild zeigen, entstammen einem Christen und Juden gemeinsamen Bilderkanon, wurden aber sicherlich in vielen Fällen bei gleichen Motiven unterschiedlich gedeutet, was ein eindrucksvoller Beleg der „shared culture“ ist. Nichts weist darauf hin, dass den Juden die Siegelbilder aufoktroyiert wurden. Vielmehr darf eine freie Siegelbilderwahl – sofern sie sich innerhalb des vorgegebenen Standesdenkens bewegte – angenommen werden.

IV. Neue Erkenntnismöglichkeiten

Als Geschichtsquelle54) wirft die Interpretation der Judensiegel ein Licht auf die rechtliche und soziale Stellung führender Juden sowie der Judengemeinden. Sie gibt Aufschlüsse über das hohe Migrationspotential der Juden im Mittelalter und ihre vielfältigen Beziehungen zu christlichen Bürgern und Adligen. Durch die Anwendung vergleichender Methoden kann das Selbstverständnis des jüdischen Siegelführers und seiner Selbstrepräsentation über vielfache Kriterien des Siegels (Größe, Form, Umschrift und Bild) analysiert werden. Das Siegel diente damit neben seinen verschiedenen Funktionen für den Rechtsakt wie Verschluss, Beglaubigung und Authentifizierung „dem Siegelführer auch zur Darstellung seiner selbst und zur Übermittlung einer Botschaft“ 55). Denn die Siegelschöpfung besitzt einen engen Konnex mit dem Wunsch des Auftraggebers bezüglich – privater oder institutioneller – Selbstrepräsentation. Hierdurch ergibt sich „für den Historiker die Möglichkeit, etwas über den Siegelführer und seine Intentionen zu erfahren“ 56), handelte es sich doch bei einem Siegel gleichsam um einen Ort offizieller Symbolik57) und damit um einen Bedeutungsträger.

Nicht nur ist den jüdischen Siegelbildern eine multivalente Lesart inhärent; es werden auch im direkten Vergleich mit christlichen Siegelbildern ambivalente Eigenschaften deutlich. Dies bietet die Möglichkeit, auf einmalige Art und Weise den Bereich der „shared culture“ und des „cultural mirroring“58) zu analysieren, was bedeutende neue Erkenntnisse verspricht.59)

  1. Vgl. Kittel, Siegel (1970), S. 128; Ewald, Siegelkunde (1914), S. 39. »
  2. Vgl. Urbanek, Wappen (2003), S. 12. »
  3. Die erste Phase des Mainzer Akademieprojektes „Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich“ reicht von 1273 bis 1347, die zweite Phase von 1348 bis 1390. Editionen der Judensiegel zur dritten (1391–1437) und vierten Projektphase (1438–1519) befinden sich in Vorbereitung. Eine ausführliche Analyse aller mittelalterlichen Judensiegel aus Aschkenas wird zukünftig im Rahmen der Dissertation des Verfassers erfolgen. »
  4. Vgl. JS01, Nr. 1. Ältere Judensiegel sind aus den Siegelankündigungen der Corroborationes überliefert, aber nicht mehr erhalten, was die Edition mit „Siegel verloren“ angibt: so das gemeinsame Geschäftssiegel der Wiener Juden Lublin und Nekelo (Wien, HHStA, AUR 1257 II 18); vgl. Regesten zur Geschichte der Juden in Österreich 1, Nr. 18, S. 50 f. (mit weiterführender Literatur); Regesten zur Geschichte der Juden im Fränkischen und Deutschen Reiche, Nr. 627, S. 263; Friedenberg, Seals (1987), Nr. 153, S. 290 f. (mit Abb. Urk.). »
  5. Vgl. JS02, Nr. 1»
  6. Vgl. zu den einzelnen Zeitphasen die Projektbeschreibung http://www.medieval-ashkenaz.org/forschungsprojekt.html (letzter Zugriff 3. Juni 2015). »
  7. Unter der Bezeichnung „Siegel“ soll innerhalb des Corpus' der beliebig oft reproduzierbare (positive) „Abdruck“ in Wachs verstanden werden, nicht die einmalig durch künstlerische Tätigkeit des Toreuten geschaffene Negativmatrix im „Typar“; vgl. dazu die Handbücher von Kittel, Siegel (1970), S. 2, und Ewald, Siegelkunde (1914), S. 21. »
  8. Vgl. JS01, Nr. 40 und JS02, Nr. 31. Diese städtischen Siegel AD DEBITA sind in den vorliegenden Editionen erstmals als bisher unbeachteter Siegeltyp hervorgehoben worden. Die Handbücher der Sphragistik kennen keine Siegel AD DEBITA; vgl. etwa Kittel, Siegel (1970); Ewald, Siegelkunde (1914); Ilgen, Sphragistik (1912); oder das Vocabulaire International de la Sigillographie, denen Siegel AD DEBITA unbekannt sind. »
  9. So wird insbesondere der Judenhut vielfach auch von Christen auf ihren Siegeln geführt. Bis heute konnte die Forschung bei diesen Christen nicht mit Sicherheit eine ursprünglich jüdische Herkunft nachweisen. Vgl. äußerst differenziert und mit vielen instruktiven Beispielen in Bezug auf die Frage nach jüdischen Konvertiten, der dicti Judaei/Judei, Cluse, Studien (2000), S. 385–396, mit dem ernüchternden Befund für sein Untersuchungsgebiet: „In einer ganzen Reihe dieser Orte läßt sich kein einziger Jude sicher nachweisen, wohl aber eine Vielzahl von dicti Judei, die einwandfrei als Christen erkennbar sind“ (S. 393). Mit neuen Hinweisen, aber ohne sicheren Befund für die Existenz eines jüdischen Konvertiten, zuletzt in einem Fall Wenninger, Nachlassverzeichnis (2014). Auch Penta- (mit der Spitze nach oben oder gestürzt als Drudenfuß) sowie Hexagramme, Mondsicheln, Sterne und Lebensbäume finden bei Christen und Juden Verwendung auf Siegeln. Dieser christlich-jüdische Siegelbilderkanon wird im Rahmen der Dissertation des Verfassers eingehend behandelt werden. »
  10. Friedenberg, Seals (1987), hat in seiner Edition der Judensiegel mehrfach Siegel aus dem aschkenasischen Raum aufgenommen, die solche Marker in ihrer Umschrift trugen und diese Siegelführer unkritisch als Juden übernommen; vgl. etwa Nr. 150, S. 280, und Nr. 151, S. 281. »
  11. Als Paradigma genannt sei das Siegel des angeblichen Konvertiten Hartwich dictus Jode, das einen „jüdischen“ Kopf mitsamt aufgesetztem Judenhut zeigt und in dessen Siegelumschrift +S'(IGILLVM) HARTWICI: DICTI: IVDEI: zu lesen ist; vgl. dazu Friedenberg, Seals (1987), Nr. 140, S. 260–263. »
  12. Nicht aufgenommen werden konnten deshalb beispielsweise die angekündigten Judensiegel von den beiden Wiener Juden Lublin und Nekelo: Wien, HHStA, AUR 1257 II 18 (Siegel verloren); Gutman von Ingolstadt: Ingolstadt, StadtA, Privilegienbuch fol. 34r (1322 IV 23, kopial); Nathan von Kreuznach: Würzburg, StA, Domkapitel Mainz Urkunden [nach 1339 April 22], Abschrift unter dem Siegel des Pfarrers in Kreuznach (1338 III 1, kopial); Kressand von Kreuznach: Anholt, Fürstlich Salm-Salm’sches Archiv, Best. Dhaun, Nr. 821 (1348 VII 15, Siegel verloren); Samuel von Ehrenbreitstein: Koblenz, LHA, Best 1 C 6, Nr. 190 (1356 VIII 1, kopial); Samuel von Derenburg: Codex Diplomaticus Anhaltinus 4, Nr. 320, S. 214 f. (1364 X 24, Siegel verloren) und Urkundenbuch der Stadt Halle 3, 1, Nr. 921, S. 277 f. (1370 III 22, kopial) sowie Ysaak Barich son: Anholt, Fürstlich Salm-Salm’sches Archiv, Best. Dhaun, Nr. 682 (1372 IV 23, Siegel verloren). Des Weiteren wurde gegen eine Aufnahme in das vorliegende Teilcorpus entschieden bei dem sehr wahrscheinlich neuzeitlichen jüdischen Siegelring Abbas ben Abba, vgl. Brann, Siegelring (1907), und bei einem nicht mehr lesbaren Siegelstempel aus dem Trierer Raum, der einem Juden gehört haben könnte, vgl. Clemens, Siegelstempel (1988), Nr. 25, S. 48 f. »
  13. Für ein Beispiel vgl. die Diskussion zu JS02, Nr. 45»
  14. Vgl. allgemein zu Überlieferungschance Esch, Überlieferungschance (1985). »
  15. Vgl. JS01, Nr. 40 und JS02, Nr. 31»
  16. Keine Aufnahme fanden die sogenannten „antijüdischen“ Siegel, die offenbar nur in Verbindung mit den Orten stehen, deren kirchliche Institutionen den hl. Stephanus als Schutzpatron führten und dessen Martyrium der Steinigung durch Juden, erkennbar an den Judenhüten. Inwiefern diese Siegel wirklich als „antijüdisch“ bezeichnet werden dürfen ist von der Forschung noch nicht überprüft worden. Beispiele für diese Siegel sind zu finden in Friedenberg, Seals (1987), Nr. 145, S. 269 f. (mit Abb., Zeichnung), und Guerreau, Klerikersiegel (2013), S. 384 f. (mit Abb.), zum Siegel Albrechts von Altenburg, zwischen 1286 und 1295 Domdekan zu Halberstadt (mit weiteren Beispielen anderer klerikaler Siegelführer bei Guerreau auf der beigefügten Siegelcorpus CD-ROM, auch mit solchen Steinigungsszenen, bei denen die Steinigenden keine Judenhüte tragen und damit zumindest nicht explizit als Juden markiert sind, etwa Nr. A-043). »
  17. Vgl. JS01, Nr. 3; JS02, Nr. 4; und JS02, Nr. 13»
  18. Vgl. JS01, Nr. 33»
  19. Eingehangene Judensiegel sind keine überliefert und für Siegel von Juden auch gar nicht zu erwarten. »
  20. Siehe oben, Anm. 18. »
  21. Damit handelt es sich um insgesamt 76 Urkunden, an denen vielfach mehr als ein Judensiegel anhängt oder anhing. »
  22. Zudem fällt auf, dass die besiegelten Urkunden aus der ersten Zeitphase noch deutlich vielseitigere Zwecke abdeckten. »
  23. Bei der Siegelumschrift folgt für das Hebräische stets die Übersetzung in runden Klammern, Abkürzungen werden nicht in Klammern aufgelöst sondern in Übersetzung angegeben. Die Abbreviaturstriche ('') sind für die hebräischen Umschriften konsequent ergänzt worden, um die Lesungen zu erleichtern und die Schreibung an die Vorgehensweise bei Editionen von Grabsteinen anzugleichen. Für die lateinischen und landessprachlichen Umschriften gilt das Leidener Klammersystem, d. h. runde Klammern lösen Abkürzungen auf – etwa S(IGILLVM) YSAAC V(O)N MVNSVE –, eckige Klammern bieten Ergänzungen bei Fragmentierung und Abrieb – etwa [S(IGILLVM) M]OY[SE]. Nicht mehr Rekonstruierbares wird in eckigen Klammern ohne Füllung angegeben, um zu zeigen, dass ursprünglich noch etwas folgte. Worttrenner (Asteriske und Punkte) wurden ebenfalls angeführt, Ornamente in den Anmerkungen erwähnt. Die Edition folgt in der Siegelbeschreibung stets dem Muster: Siegelumschrift, Siegelzustand, Durchmesser (Dm) in mm, Material, Form und Siegelbild; angeschlossen sind – sofern nötig – weitere wichtige Informationen und schließlich die Nennung der Urkunde, an der das Siegel hängt, mit Angabe der Siegelposition (sofern weitere Siegel an der Urkunde angehangen wurden). »
  24. Zur Siegeltypologie vgl. Diederich, Prolegomena (1983), S. 242–284; Ders. , Siegelkunde (2012), S. 53–71; Vocabulaire international de la Sigillographie, S. 151–163. Besonders Wappen-, Familien- und Geschäftssiegel sind aufgrund des geringen Quellenmaterials kaum zu trennen. Ein Geschäftssiegel konnte zu einem Familiensiegel werden und umgekehrt; stand es im Schild, so nahm es den Charakter eines (Familien-) Wappensiegels an. Auch Hausmarkensiegel sind für die Judensiegel nicht unwahrscheinlich. Bei der Typologisierung der Siegel richtet sich die Edition nach den Erkenntnissen der Systematisierungen von Diederich, Prolegomena (1983); erneut ausgeführt und vertiefend dargestellt in Ders. , Siegelkunde (2012), S. 53–71. »
  25. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet das Fehlen jeglicher Hinweise auf eine jüdische Siegelpraxis in den SchUM-Gemeinden. »
  26. Aus Österreich sind sogar seit 1305 keine Judensiegel für die beiden behandelten Zeiträume mehr nachweisbar. »
  27. Vgl. JS02, Nr. 2»
  28. Vgl. JS02, Nr. 4»
  29. Vgl. JS02, Nr. 3»
  30. Vgl. Siegelabbildungen UB Zürich, S. 280. »
  31. Vgl. Kisch, Sceaux (1882). »
  32. Vgl. Diamant, Sphragistik (1929). Die Arbeit ist aufgrund ihres Pioniercharakters aufschlussreich und besitzt Ansätze einer Typologisierung der Judensiegel anhand der Siegelbilder. »
  33. Vgl. Von den Brincken, Judensiegel (1987). Die Autorin beschränkte sich im Rahmen der Ausstellung „2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein“ auf die rheinischen Judensiegel, konnte aber anhand dieser schon 1963 das Wissen um die rechtliche und soziale Stellung der spätmittelalterlichen aschkenasischen Juden der Rheinlande bereichern. »
  34. Vgl. Avneri, Seals (1967) (hebr.). »
  35. Vgl. GJ 2 (1968). »
  36. Vgl. Friedenberg, Seals (1987). Der Bearbeitungsstand des Jahres 1987 hat zahlreiche Mängel, die bei einer Neuedition korrigiert werden müssen. »
  37. Keil, Judensiegel (1991). Die Autorin nutzt insbesondere ein Regensburger Judensiegel und kann anhand der prosopographischen Daten neue Erkenntnisse bezüglich des jüdischen Siegelführers formulieren. »
  38. Battenberg, Sonne (2007). Der Autor referiert im Wesentlichen nur schon Bekanntes aus vorangegangenen Arbeiten von Friedenberg, Seals (1987); Von den Brincken, Judensiegel (1963/64); Keil, Judensiegel (1991) und Diamant, Sphragistik (1929). »
  39. Vgl. Friedenberg, Seals (1987). »
  40. Vgl. Diamant, Sphragistik (1929). »
  41. Vgl. Von den Brincken, Judensiegel (1963/64). »
  42. Vgl. Keil, Judensiegel (1991). »
  43. Maßgeblich ist Bedos-Rezak, Sceaux (1993). »
  44. Vgl. Menéndez Pérez/Gómez Pidal, Martices (1987). »
  45. Vgl. Friedenberg, Seals (1987). »
  46. Vgl. JS01, Nr. 41. Diese Ausnahme ist bemerkenswert, da im mittelalterlichen Siegelwesen die Anmaßung einer nicht standesgemäßen Siegelgröße und -form im Bewusstsein der hierarchischen Ordnungsvorstellungen als Siegelusurpation verstanden werden konnte; vgl. dazu Diederich, Siegel (2012), S. 99–129. »
  47. Starke Parallelen bei den Siegelumschriften finden sich auf jüdischen Grabsteinen und in hebräischen Unterschriften, die teilweise auf Dokumenten bei Rechtsakten in Verbindung mit Christen, insbesondere aber in innerjüdischen Rechtsangelegenheiten Verwendung fanden. »
  48. Ausnahmen könnten sein: JS01, Nr. 11; JS01, Nr. 45; JS01, Nr. 49, und JS01, Nr. 50. Gesicherte Ausnahmen sind hingegen vier Siegel an drei Regensburger Urfehdebriefen des Jahres 1384; vgl. Gnendel (I): JS02, Nr. 38; Chalmon: JS02, Nr. 39; Sadi (I): JS02, Nr. 30 und Feivel: JS02, Nr. 41 sowie dasjenige Gutkinds von Hilburghausen: JS02, Nr. 45»
  49. Vgl. exemplarisch die Grabsteininschriften in: Grabsteine vom jüdischen Friedhof in Würzburg. »
  50. Vgl. zu den Titeln die Typologie von Reiner, Epitaph Style (2011) und Ders. , Role (2011). Matronyme und entsprechende Titel sind für die Judensiegel keine belegt. »
  51. Vgl. zu den Segensformeln die Parallelen auf jüdischen Grabsteinen bei Reiner, Epitaph Style (2011). Dabei wurden die Segensformeln auf Grabsteinen in der Regel ausgeschrieben, während sie hingegen aufgrund des begrenzten Raumes der Siegelumschriften auf Judensiegeln abgekürzt Verwendung fanden. »
  52. Die vier lateinischen Umschriften der Regensburger Judensiegel von 1384 (siehe oben Anm. 48) zeigen vor dem Namen des Siegelführers das bemerkenswerte DO(MIN)I. Bei einer Durchsicht der beschriebenen christlichen Siegel der beiden Regensburger Urkundenbücher und der Regensburger Bürgersiegel konnte der Titel DOMINUS kein weiteres Mal auf Siegeln gefunden gefunden werden; vgl. Monumenta Boica 53 und 54 sowie Urbanek, Wappen (2003). Allerdings betiteln Urkundentexte Juden und Jüdinnen auch schon gelegentlich auch dominus bzw. donina. Für ein Beispiel vgl. Burmeister, Medinat Bodase 1 (1994), S. 98 f. »
  53. Für Judensiegel wie auch Siegel von Christen gilt, dass die Heraldik im Laufe des 14. Jahrhunderts stärkeren Einfluss auf die Siegelkonzeptionen gewinnt und im 15. Jahrhundert dann voll entfaltet die maßgebliche Kraft ist. Das bedeutet aber gleichzeitig eine Einschränkung in den Gestaltungsmöglichkeiten der Siegelbilder, die seit dem 15. Jahrhundert in der Regel immer einfacher konzipiert werden. »
  54. Vgl. auch Vahl, Beschreibung (1996), S. 489, für das Siegel als Quellengattung: „Siegel können eine Fülle von Informationen zu den verschiedensten Wissensgebieten liefern, z. B. zur Kunst-, Sprach-, Geistes-, Religions-, Kirchen-, Rechts-, Sozial- und Militärgeschichte, zur Kostümkunde, Heraldik und Epigraphik, um lediglich die wichtigsten zu nennen.“ »
  55. Diederich, Siegelkunde (2012), S. 2. »
  56. Ebd. »
  57. So Bandmann, Architektur (1951), S. 130. Vgl. auch Diederich, Städtesiegel (1984), S. 29, der darin Bandmann folgt. »
  58. Vgl. Marcus, Jews and Christians (1995). »
  59. Eine ausführliche Diskussion dieser Siegelbilder wird zukünftig im Rahmen der Dissertation des Verfassers erfolgen. »
Zitierhinweis

Lehnertz, Andreas, Judensiegel in Aschkenas (1273–1390). Zur Einführung, in: Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015,
URL: http://www.medieval-ashkenaz.org/JS01/einleitung.html (Datum des Zugriffs).