Sources regarding the history of the Jews in the imperial town of Rothenburg o. d. T.

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63 records in this corpus. Displaying record 8.

Reichsstadt Rothenburg 1, Nr. 8

[etwa 1305 bis 1331 April 18], Rothenburg o. d. T.

Juden betreffende Regelungen des Willkürenbuches zum Umgang mit Mündeln, zum Schutz städtischen Vermögens, zum Fischkauf außerhalb des Fischmarktes, zum Umgang mit Rechtsbrüchigen und zum Schutz gegen den Geldwertverlust:

[10.] Ez ist auch gewonheit und reht, swer eines burgers sun, der sin mündeling ist, borget und sin burge wirt oder uf sinü pfant lihet nisi pro rata peculii ez sin Cristen oder juden, daz gelt sol allez verlorn sin, und sol den dar umb nihtez schuldig sin ze gelten, und sol in anders nihtez borgen danne daz man bereitez gelt van in sol nemen, und sol in umb kein spil wern danne als verre daz gewand gereichen mak.

[…]

[12.] Ez ist auch also gewonheit und reht, daz nieman hie under den Burgern hie in dieser pfarre keinen geistlichen mann noch orden, noch Iuden niht zu kauffene schullen geben eygen noch erbe, noch umb sust niht schullen geben, und ist ob ein man durch siner sele willen, wil geben der gebe daz gut einem burger ze kauffene und gebe daz gelt swa er wolle, und swer daz breche dez gutez suln sich sin frunde under winden, oder die burger, ob er niht frunde hat, und suln daz verkauffen und durch siner sele willen geben.

[…]

[44.] Es ist auch gemeinlichen den fischern verboten, das nieman anders keinen fische verkaufen sol, denne an dem rehten fische markete, vor Zukmantels huse die Jages (1) fische, und hie disit die Tuber (1) fische und swer fische truge den orden oder den Juden, swer die nimet der bezzert nihtz dar umb. Und wer auch daz ein fischer oder ein fischerin umb ein ander fürkauffen, oder Jages fische under Tuber fische misten, als ofte sie daz tun, als ofte bezzern sie funf schillinge dem rihter und der stat und swer fische verkauffen wil der sol sten und niht sitzen und swer sie in dar uber nymmet der bezzert niht. Und kein frauwe sol fisch veil halten.

[…]

[46.] Der rihter und die burger vom rat gemeinlichen sin zu rat worden und haben verboten swer der bürger einen ladet und in umtribet und niht reht von im wil nemen hie vor gerihte wider die fryheit die diu stat hat von dem richte daz den nieman, es sie Cristen oder Jude weder lihen noch sin burge werden sol an keinerly stat mit wizzende und im auch nit zu sol legen noch beholfen sin mit keiner ley sachen da geverde bi were, auch sol in nieman herbergen er were mit unsern herren von Hohenloch in irn herbergen, swer daz brichet der bezzert ie als ofte dru pfunt haller dem rihter und der stat dru pfunt haller und dem kleger II pfunt haller.

[47.] Ez [ist] auch geboten daz man gut haller sol nemen, sie sin wis oder swartz uf die noch geschribenne kuren. Swer daz niht tet der bezzert ie von einem haller dri haller, ez si Cristen oder Jude. Ez suln auch die küren zu stechen oder zu schnyden swaz bozzer haller für sie kumet under zehen schillingen. Ez suln auch die kurn noch nieman anders keinen heller unzerschnyten noch unzerbrochen kaufen. Ez sol auch nieman kein vorwechsel an keinen hallern nemen noch geben, swer daz breche oder sich der kurn wert der bezzert zehen schillinge haller de rihter und den burgern an die stat, swelhe gast sich nicht vil lazzen benugenan den kürn dem sol man sin kauffmannschaft swaz der wirt lazzen sten und sol der nieman fürbaz kauffen uber den der ez vor gedinget hat, swer aber das der uber kaufte der bezzert die vorgenannte bezzerunge, dise sint küren der Hertlin und C. Hornburg und Fritz Schonbrunne, und swer der küren geit der sol in lonen von dem pfunde zwe haller. (2)

(1) Jages: Jagst; Tuber: Tauber.

(2) Der ganze Artikel [47] wurde von späterer Hand durchgestrichen. Der folgende Artikel [48] ist taggenau auf 1331 April 18 datiert.

Überlieferung:

Rothenburg o. d. T., StadtA, B 9a, Orig., dt. und lat., Perg.

  • Bezold, Verfassung (1915), Nr. 10 und 12, S. 129; Nr. 44 und 46 f., S. 134;
  • Bensen, Untersuchungen (1837), Nr. 10 und 12, S. 489 f.; Nr. 42, S. 488 f.; Nr. 44 f., S. 499 f.

Kommentar:

Das Willkürenbuch der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber ist eine unter der Überschrift Diz sint der Stat gebot und Reht, als sie von Alter her mit guter gewonheit und mit der Stat Reht sin komen sukkzessive zusammengetragene Sammlung von Regeln zur Organisation des Gemeinwesens. Die Artikel betreffen vor allem Markt- und Bürgerrecht, Rechtsprechung, Erwerb und Verkauf von Immobilien und anderen Gütern sowie, neben Straf- und Steuerrecht, auch konkrete Bauvorschriften. Mehrere Einträge befassen sich mit dem Zusammenleben von Bürgern und Juden in der Stadt. Die Edition dieser Artikel erfolgt im Rahmen des vorliegenden Corpus in zwei Sammel- und zwei Einzeleinträgen.

Die Archivalie ist heute in einem denkbar schlechten Zustand und konnte bislang nicht umfassend eingesehen werden. Somit sind wir für eine Wiedergabe der Judenbetreffe vorerst auf die beiden älteren Editionen Heinrich Wilhelm Bensens und Rudolf Walther von Bezolds angewiesen.

Eine erste Edition des damals offensichtlich noch vollständigen Willkürenbuches besorgte Bensen im Jahr 1783. Er numerierte die Einträge erstmals durch, wobei sich im Vergleich zur späteren Bezold'schen Edition freilich Unterschiede ergeben. Dies legt die Vermutung nahe, dass auch 1915, zum Zeitpunkt der zweiten Edition, bereits Teile des Buches unzugänglich oder versehrt waren, und zeigt außerdem, dass die Nummerierung nicht auf dem Quellentext basiert. Obwohl die ersten Einträge des Buches undatiert sind, schlägt Bezold, Verfassung, S. 128, eine Entstehungszeit zwischen 1305 und 1340 vor, ohne freilich näher zu erläutern, worauf sich seine Einschätzung gründet. Vielleicht kam er durch einen Abgleich der handschriftlichen Einträge des Willkürenbuches mit den datierten Gerichtsbüchern der Stadt Rothenburg zu seiner Meinung. Man kann sich indes des Eindrucks nicht erwehren, dass Bezold auf Bensens Grundlage ediert hat, teils sogar ohne das Orignial eingesehen zu haben. Anders ist nicht erklärlich, dass er beim Eintrag zu 1340 Juli 25 die von späterer Hand des 14. Jahrhunderts eingetragenen Ergänzungen in seiner Edition unterschlagen hat. Dieser eine Artikel konnte bisher als einziger am Original überprüft werden. Bis eine Gesamtautopsie der in schlechtem Zustand erhaltenen Originalhandschrift nähere Erkenntnisse zu den bestehenden Diskrepanzen sowie zur Frage der Datierung bringt, müssen wir dennoch vorerst Bezolds Angaben und seine Nummerierung der Artikel übernehmen. Die Artikel 48 und 64 des in Bezolds Edition insgesamt 87 Artikel umfassenden Willkürenbuchs sind genau auf 1331 April 18 und 1340 Juli 25 datiert. Mit ihrer Hilfe kann man also zumindest den terminus ante quem für die ersten Einträge bzw. post quem für die letzten bestimmen.

(csm.) / Letzte Bearbeitung: 17.02.2016

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2014, RO01, Nr. 8, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/RO01/RO-c1-0002.html (Datum des Zugriffs)

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