Quellen zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg (1273–1347)

Zurück zur Übersicht

133 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 47.

Brandenburg 1, Nr. 46

1321 September 7

Der Rat der Stadt Arnswalde in der Neumark (consules ciuitatis Arnswol) vergleicht sich mit den Juden wegen des Besitzes eines die Synagoge beschreibenden Hauses. Auf Bitten der jüdischen Gemeinde von Arnswalde (vniuersitas judeorum adherencium synagoge et domui ipsius in nostra ciuitate […] quesivit) wird ein dauerhaftes Besitzrecht der Juden an Synagoge und einem (bestimmten) Haus festgehalten. Ebenso besteht eine Befreiung von der als Schoss bezeichneten allgemeinen, direkten Steuer (que schoth vulgariter dicitur) und allen denjenigen Dienstpflichten und Belangungen (vectura et absque omni impugnacione), die über die Nachtwachen hinausgehen. Diese Nachtwachen sollen die Juden wie andere Bürger übernehmen (nobiscum seruabunt sicuti ceteri nostri burgenses). Dafür ist durch die Juden eine Zahlung von zwei Mark Silber jährlich zu leisten, die zu gleichen Teilen am Martinstag (11. November) und am Walburgistag (1. Mai) zu entrichten ist.

Weiterhin wird bestätigt, dass die Judengemeinde nicht nur den mit eigenen finanziellen Mitteln (pecunia sua) erworbenen Acker von 107 Ruten (uirgas) Länge und Breite neben ihrem Friedhof (iuxta cimiterium ipsorum), sondern auch den Zuweg zum Friedhof (via accedendi cimiterium ipsorum) behalten solle.

Darüber hinaus wird auf dem Weg von und zum Friedhof freies Geleit und Schutz vor nicht näher bezeichneten städtischen Beauftragten (pre omnibus qui pro nobis quidquid facere) für die in der Stadt ansässigen Juden (ipsos judeos) und diejenigen Juden, die zum Friedhof gehören (et omnes judeos ad predictum cimiterium pertinentes), gewährt. Dieser Schutz wird auf das Verlassen und Betreten der Stadt ausgeweitet.

Ankündigung des Siegels der Stadt und der Aushändigung einer Ausfertigung des Schriftstücks an die Juden.

Datum anno domini M° CCC° XXI° feria secunda ante natiuitatem beate Marie uirginis gloriose.

Überlieferung:

Aufbewahrungsort unbekannt, unbekannt, lat.; Altüberlieferung: Preuß. StaatsA Königsberg in Preußen, Briefsammlung A S XIII 109 Nr. 8 (Abschrift 15. Jh.) (Angaben nach Repertorium Neumark, Nr. 16, S. 4, und Lichtenstein, Vorwurf (1932), S. 197); Überlieferung nach Heise, Juden (1932), S. 45 f.: StaatsA Königsberg in Preußen, Copialbuch neumärk. Urkunden, S. 29, Nr. 8.

  • Lichtenstein, Vorwurf (1932), S. 196 f. (mit Übersetzung).
  • Repertorium Neumark, Nr. 16, S. 4.
  • Christophersen, Friedhöfe (2012), S. 134, 138 und 143;
  • Cluse, Organisationsformen (2006), S. 292 f.;
  • Guggenheim, Gemeinde (2004), S. 94;
  • Cluse, Studien (2000), S. 94;
  • GJ 2, 1, S. 24 und 103 f.;
  • Heise, Juden (1932), S. 45 f. und 299 f.;
  • Lichtenstein, Vorwurf (1932), S. 194.

Kommentar:

Angeführt werden die vniuersitas judeorum adherencium synagoge et domui ipsius und die synagoga[m] cum domo ipsius. Zu verstehen ist diese Wendung als Beschreibung der Synagoge (als Synonym für die Gemeinde) und des Hauses, in dem sich die Synagoge befindet. Synagoge und Haus dürfen also als identisch angesehen werden. Bereits die Edition bei Lichtenstein, Vorwurf (1932), S. 196 f., hier: S. 197, weist auf Brandenburg, 1322 Februar 27 (BR01, Nr. 50) hin, wo die synagoga ebenfalls der Umschreibung der universitas der Juden dient.

Der hier dargelegte Vergleich ist in seiner Beschreibung der jüdischen Gemeindeeinrichtungen und der Abstufung zwischen Zugehörigen zur Synagoge und – offensichtlich darüber hinausgehend – Zugehörigen zum Friedhof ein Indiz für eine Organisation der Juden der Neumark in einem Friedhofsbezirk. Beobachtungen über weitere Teile der Mark Brandenburg stützen diese These; vgl. Christophersen, Friedhöfe (2012).

Für Heise, Juden (1932), S. 45 f., ist die Übereinkunft v. a. Ausweis einer die wachsenden Autonomiebestrebungen der Städte kennzeichnenden Abgabepflicht der Juden gegenüber der jeweiligen Stadt. Die ebendort aus derselben Urkunde erklärte Schlachterlaubnis erschließt sich nicht aus der Edition nach Lichtenstein, Vorwurf (1932), S. 196 f.

GJ 2, 1, S. 24, mit regestenartiger Zusammenfassung.

(jrc.) / Letzte Bearbeitung: 11.09.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2013, BR01, Nr. 46, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/BR01/CP1-c1-01w7.html (Datum des Zugriffs)

Lizenzhinweis

Die Datensätze stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Lizenz und können unter Berücksichtigung der Lizenzbedingungen frei nachgenutzt werden. Sofern nicht anders angegeben, sind die verwendeten Bilder urheberrechtlich geschützt.

Zurück zur Übersicht