Quellen zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg (1273–1347)

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Brandenburg 1, Nr. 52

1322 August 13, Berlin

Die Ratsleute der Städte Neustadt Brandenburg an der Havel, Altstadt Brandenburg an der Havel (ratmanne van Brandenborch vt der nyen stat vnde der alten), Berlin und Cölln erlassen mit Einverständnis der Münzmeister von Berlin und Brandenburg eine Münzordnung für ihre Städte. Neben verbindlichen Stückelungen (1) und Wechselkursen (Münzverschlechterung) wird festgehalten, dass niemand, weder Christ noch Jude, neues Silber ausgeben soll (dat gheman nie (2) siluer sal vt geuen he si kersten oder iode). Die Aufsicht über die Münzmeister obliegt städtischen Aufsehern (huͦdere) (3); die Münzmeister sind rechenschaftspflichtig. Der Verkauf von Silber an die Münzmeister ist generell zulässig. (1)

Weiterhin sollen Juden kein Silber kaufen, [jedoch] Kreditgeschäfte zum Lebensunterhalt tätigen [können], und auch als Bürgen oder Gewährspersonen zur Verfügung stehen:

die ioden scolen ghen siluer copen sie scolen sich eres wukeres began vnde scolen ghe waren den luͦden also eyn islich bederue mensche muͦt duͦn.

Weder Christen noch Juden sollen in das Wechselgeschäft der Münzmeister eingreifen (ghen kersten eder iode scal sich des muͦ[n]tmeste[re]s wissele vnder winden). (4)

Kaufleute, die ihre Waren in den Städten verkauft haben, dürfen mit dem so erworbenen Geld alle Waren, auch Silber, erwerben.

Ankündigung der Siegel der vier Städte.

Desse ding sint ge schen na godes bort dusent iar drehundert iar in deme tve unde tvintegesten iare An sinte Ypolitus dage tuͤ berlin.

(1) Siehe hierzu ausführlicher die Regesten bei Regesten der Urkunden "Kurmärkische Stände", Nr. 24, oder bei Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 2931, S. 878.

(2) Auswahl der ältesten Urkunden: nic.

(3) Ob bei Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 2931, S. 878, mit Wardeine, also dem (meist städtisch bestimmten) Wertbestimmer (= Werdein) für Münzen, in anderen Fällen aber auch Tuche, ein Quellenbegriff oder vielmehr ein Forschungsbegriff wiedergegeben wird, ist nicht klar.

(4) Die Übersetzung im UB zur Berlinischen Chronik "Und kein Christ oder Jude soll den Stempel des Münzmeisters benutzen" ist irrig. Vgl. hierzu auch: Sello, Berichtigungen (1882), S. 68.

Überlieferung:

Potsdam, LHA, Urkundenabteilung Kurmärkische Stände, U I/23, Orig., dt., Perg.; Potsdam, LHA, Rep. 16 E, Nachlass Seidel, Nr. 2, Bl. 55 (Angabe nach Regesten der Urkunden "Kurmärkische Stände", S. 43).

  • UB zur Berlinischen Chronik, Nr. 54, S. 39 f. (mit Übers.);
  • CDB 1, 9, Nr. 27, S. 20;
  • Auswahl der ältesten Urkunden, Nr. 79, S. 157 f.;
  • Gercken, Vermischte Abhandlungen 1 (1771), Nr. 2, S. 121 f.
  • Regesten der Urkunden "Kurmärkische Stände", Nr. 24, S. 41–43 (mit Abb.);
  • Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer 5, Nr. 4225, S. 329;
  • Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 2931, S. 878;
  • Historisch-diplomatische Beiträge 3, Nr. 48, S. 203.
  • GJ 2, 1, S. 70 mit Anm. 22;
  • Ackermann, Geschichte (1906), S. 10 f.;
  • Faulhaber, Handel (1901), S. 30;
  • Sello, Berichtigungen (1882), S. 58–60 und 68 f.

Kommentar:

Druck CDB folgt Höfers Auswahl der ältesten Urkunden. Druck im UB zur Berlinischen Chronik, Nr. 54, S. 39 f., wiederum nach CDB. Kurzer Kommentar mit Hinweis auf weitere Quelle bei Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 2931, S. 878.

Der die Juden betreffende Teil der Ordnung hinsichtlich der Tätigkeit im Kreditwesen ist in seinem Sinn abhängig von der Übersetzung des Begriffes began. Neben einer Auslegung als Erlaubnis, sich von Geldleihe bei Zinsnahme (in den Quellen teilweise wertfrei als Wucher bezeichnet) zu ernähren, ist auch die Einschränkung nicht gänzlich auszuschließen, dass sich die Juden mit der Geldleihe (als einzigem Betätigungsfeld) begnügen sollten; vgl. hierzu etwa Ackermann, Geschichte (1906), S. 11, und GJ 2, 1, S. 70, sowie Sello, Berichtigungen (1882), S. 58–60 und 68 f.

Dass Juden explizit der Ankauf von Silber untersagt ist, macht deutlich, dass man in der wirtschaftlichen Tätigkeit von Juden ein Spezifikum wahrnahm, die Bezeichnung als Jude also der Unterscheidung diente, gerade was den Ankauf von Silber vom Markt anging, der christlichen Händlern erlaubt blieb. Die Günstigerstellung auswärtiger Händler (im Kontext sicher auch, wenn nicht sogar ausschließlich gegenüber den Juden) verweist womöglich darauf, dass man den Markt für diejenigen, die an einem hochspekulativen, aber erhebliche Gewinne versprechenden Handel von Edelmetallen in den Bereich des östlichen Mittelmeers (über Venedig) beteiligt waren, einen attraktiven und von Konkurrenzeinflüssen durch die Juden befreiten, lokalen Markt bieten wollte. Vgl. hierzu etwa Gilomen, Silbermangel (2012) S. 288 f. und S. 291.

(jrc.) / Letzte Bearbeitung: 10.09.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2013, BR01, Nr. 52, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/BR01/CP1-c1-01y8.html (Datum des Zugriffs)

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