Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1273-1347)

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Ebm. Mainz 1, Nr. 7

1276 Januar 25, Mainz

Der Kölner Erzbischof Siegfried (Sifridu[s]) [von Westerburg] und der Basler Bischof H[einrich Knoderer] sühnen einen Streit zwischen dem Mainzer Erzbischof Werner (Wernheru[s]) [von Eppstein] einerseits und dem Rheingrafen Siegfried (Sifridu[s] ringraviu[s]), dem Truchsessen Siegfried von Rheinberg (Sifridu[s] dapiferu[s] de Rinberg), den Ministerialen der Mainzer Kirche, ihren Helfern, und den Mainzer Bürgern andererseits.

Als erstes sollen zur Ehre und Genugtuung des Mainzer Erzbischofs die Pferde, die ihm in Kiedrich (Kederche) genommen wurden, soweit wie noch möglich, innerhalb von 15 Tagen zurückgegeben werden. Für diejenigen Pferde, bei denen das nicht mehr möglich ist, soll nach Schätzung des Burggrafen Friedrich von Lahnstein (Friderici burgravii de Lansteyn) und der Ritter Konrad von Delkenheim (Conradi de Delkelnheym) und Hermann von Saulheim (Hermanni de Sauwelnheym) bis zum Sonntag Judica (22. März) eine Entschädigung gezahlt werden. Wer eines der besagten Pferde gekauft hat, soll den Kaufpreis zurückerhalten.

Das in Rüdesheim (Rudensheym) Weggenommene soll, soweit noch möglich, innerhalb von 15 Tagen zurückgegeben werden, was davon aber verbraucht oder zerstört ist, soll nach Schätzung der vorgenannten Ritter bis zum 22. März entschädigt werden.

Alle bei Rüdesheim oder an anderen Orten jenseits des Rheins durch den Rheingrafen, den Truchsessen, die Ministerialen und deren Helfer Gefangengenommenen sind frei zu lassen und mit ihren Bürgen von allen eingegangenen Verpflichtungen zu entbinden.

Der Rheingraf, der Truchsess von Rheinberg, Petrus von Wünnenberg (Wunenberg) und ihre Helfer sollen alles, was sie von den Leuten des Erzbischofs genommen oder erpresst haben, nach Schätzung der oben genannten Ritter bis zum 22. März ersetzen; wessen sie aber noch habhaft sind, das sollen sie sofort zurückgeben.

Weil der Erzbischof von Mainz vorgebracht hat, dass Rupert, Sohn Wilhelms, und sein Neffe Konrad sowie Simon (Symon) und Kunemann (Cunemann) mit ihren Erben von den in Rüdesheim (Rudensheim) gelegenen festen Häusern (municiones) jährlich Zinsen zahlen müssen, wollen die Aussteller, dass ihnen beide Häuser treuhänderisch angetragen werden und von beiden Seiten das geleistet wird, was sie diesbezüglich entscheiden.

Jene Ministerialen und alle, die sich mit diesen gegen den Erzbischof erhoben haben, sollen nach Gutdünken der Richter verbannt werden und so lange außer Landes bleiben, bis sie von den Ausstellern zurückgerufen werden.

Diejenigen Lorcher, die wegen der Juden oder anderer Ausschreitungen (occasione iudeorum sive aliorum excessuum quorumcunque) in die Ungnade des Erzbischofs gefallen sind, sollen wieder in den Besitz ihrer Güter eingesetzt werden, wenn jeder dem Erzbischof nach dem Urteil der drei [Ritter] entsprechend dem Maß seiner Schuld und der Art seines Vergehens Genugtuung leistet. Sollte sich einer von ihnen als unschuldig erweisen, soll ihm ebenfalls nach Maßgabe jener drei Ersatz für den Schaden geleistet werden, den er deswegen erlitten hat.

Wenn die Witwe des Ritschard von Lorch oder ihr verstorbener Mann in der Weise auf ihre Güter verzichtet haben, dass dies ihr durch eigene Schuld schädlich ist, soll es mit dem Urteil der Schöffen sein Bewenden haben, andernfalls sollen ihr die Güter zurückerstattet werden.

Zwischen Johannes, dem Sohn des Truchsessen von Rheinberg, und Johann von Biegen (de Bigen) auf der einen und Heinrich Corp auf der anderen Seite soll alle Feindschaft beendet und künftig gutes Einvernehmen sein.

Der Rheingraf, jene von Rüdesheim und alle anderen Burgmannen sollen in den Besitz ihrer Burglehen gesetzt werden und diese so lange genießen, bis sie von ihnen durch Richterspruch behauptet werden können; die ihnen vorbehaltenen Einkünfte aus den Burglehen soll man ihnnen ersetzen, wenn sie ihnen nicht durch Urteil der vorgenannten drei [Ritter] wegen Vernachlässigung verdientermaßen verweigert werden. Die gleiche Regelung soll auch für die anderen Lehen gelten.

Die Fronmühlen und Backöfen sollen in ihren alten Rechten und Freiheiten verbleiben, und von niemandem soll erzwungen werden können, in anderen Mühlen und Backöfen zu mahlen und zu backen.

Die Leute der Ministerialen sollen dem Erzbischof zu keinen Steuern und Abgaben verpflichtet sein, Gemeindelasten aber sollen sie nach alter Gewohnheit tragen.

Ob die Ministerialen von den Gütern, die sie kaufen, und vom Weinkauf, so wie es bisher üblich war, Abgaben zu zahlen haben, haben sie ebenfalls den drei Genannten zur Untersuchung übertragen, damit altes Recht und die Gewohnheit, geschehe es nun zugunsten des Erzbischofs oder zugunsten der Ministerialen, beachtet werden.

Wegen der Güter, die Tillmann dem Jungen (Thilmann[o] Puer[o]) angeblich geraubt wurden, wie auch wegen der [Güter] anderer Ministerialen, wurde [den drei Rittern] ebenfalls die Untersuchung übertragen, damit sie ihnen zurückerstattet werden, falls sie ihnen rechtswidrig genommen wurden.

Wegen der Bürgschaft, die der Rheingraf dem verstorbenen Erzbischof Gerhard nach eigenem Bekunden geleistet hat, soll der jetzige Erzbischof bis Mittfasten (infra mediam quadragesimam) gemäß dem Spruch des Grafen Emicho von Leiningen (E. de Liningen) und des Raugrafen Konrad (C. Irsuti comit[is]) dem Rheingrafen Recht oder Gnade zukommen lassen (sibi faciet iusticiam vel amorem); gleiches gilt für den erlittenen Verlust in Geisenheim (Gysenheim) und für das versprochene Streitross.

Wegen des Wildförsteramts (wiltfursterammet), das er [der Rheingraf] vom Grafen von Nassau unmittelbar zu Lehen haben soll, soll ihm der Erzbischof Gerechtigkeit zukommen lassen, ebenso wegen der Schulden gegenüber seinem Bruder nach Maßgabe der drei [Ritter].

Wegen der Leute des Rheingrafen in Bingen (Pingwia) soll sich dieser mit dem Recht und dem Dienst zufrieden geben, so wie es in dieser Stadt Gewohnheit ist. Ebenso soll er seine Leute im Rheingau (Rinecoya) in jenen Rechten und Gewohnheiten belassen, die diese und ihre Vorfahren unter den Vorgängern des jetzigen Erzbischofs von Mainz hatten. Im Dorf Windnisse sollen die obgenannten drei Ritter Untersuchungen über die vorgefallenen Auseinandersetzungen anstellen und bis zum Sonntag Judica (22. März) ein Urteil sprechen.

Wegen der Schulden, die dem Truchsessen von Rheinberg durch den Erzbischof verursacht wurden, und der Bürgschaft, die des Truchsessen Vorfahren geleistet haben, sowie wegen der Schulden, die deswegen entstanden, ist nach Angaben des Truchsessen ein Vergleich geschlossen worden. Darüber soll durch die drei eine Anhörung all jener stattfinden, die bei der seinerzeitigen Vereinbarung anwesend waren. Wenn diese einmütig über das damals Strittige urteilen, soll dem Truchsessen Schweigen auferlegt werden; andernfalls soll es ihm genügen, wenn er die Schulden aus dem Vergleich herausnimmt. Die Einkünfte aus seinem overech genannten Amt sollen ihm von jenen Äbten, die bisher noch nicht gezahlt haben, bezahlt werden; von den anderen, die seit der zwischen ihm und dem Erzbischof getroffenen Vereinbarung nach Recht aus diesem Amt scheiden sollten, soll ihm Ersatz geleistet werden.

Johannes Brunnesser (Iohannem dictum Bruͦnnezzer), den der Erzbischof in Amöneburg (Ameneburg) für sich ins Einlager gesetzt hat, und seine anderen für ihn bürgenden Ministerialen soll er lossprechen und schadlos zurückgeben.

Kann der Onkel des genannten Johannes beweisen, dass der Leibeigene (servus) Ernst ihm gehört hat und er diesen dem Johannes schenken konnte, soll Johannes ihn behalten dürfen.

Wegen der Einung genannten Sühne in Rüdesheim werden die Ministerialen des Erzbischofs Gnade erwarten mit Ausnahme des Blig genannten Ritters, dem sieben Mark ersetzt werden sollen; diesem soll das für das von ihm beanspruchte Recht vollständige Genugtuung widerfahren, sofern es zu keiner gütlichen Einigung kommt.

Über die Streitpferde, welche die Ministerialen im Dienst des Erzbischofs verloren haben wollen, soll das von Philipp Marschall (Ph. Marschalci) und Friedrich Burggraf von Lahnstein (Fr. burgravi[o] de Lonsteyn) Gesagte gelten.

Wegen des von Rupert von Rüdesheim (Rudensheym) eingezogenen Buteils sollen die Schöffen in Oestrich (Osterich) urteilen.

Nikolaus Buser (Nycolaus Busere) soll seinen Anspruch auf Erbgüter vor dem Gericht in Olm (Olmena) (1) vorbringen; stellt sich heraus, dass er [die Güter] geraubt hat, soll ihm Schweigen auferlegt werden, andernfalls ist er in den Besitz der Güter einzuweisen.

Das Holz, das Rupert von Rüdesheim dem Grafen von Veldenz (Veldence) weggenommen hat, soll nach dem Urteil der drei [Ritter] vergolten werden. Wegen der Kirche in Rüdesheim soll das von den dreien als Wahrheit ermittelte Beachtung finden.

Die Mainzer Juden sollen in dem Stand bleiben, wie er ihnen in den Urkunden des Erzbischofs gewährt worden ist, freilich unter dem Vorbehalt, dass derjenige von ihnen, der eine Verfehlung begeht, vor dem Richter des Erzbischofs in Mainz oder, falls dieser es will, vor dem Erzbischof selbst Genugtuung leistet nach den hergebrachten Rechten und Gewohnheiten der Stadt Mainz (quod iudei Maguntini in omni statu et condicione manere debent, prout in litteris .. domini archiepiscopi ipsis concessis continetur salvo tamen hoc, quod si aliquis eorum excesserit seu deliquerit, coram iudice ipsius archiepiscopi in Maguntia vel coram ipso domino archiepiscopo, si ipse maluerit, satisfaciet secundum iura et consuetudines civitatis Maguntine, prout hactenus fieri est consuetum).

Weil wegen der Schwureinung der Ministerialen und der Mainzer Bürger (propter iuramenta ministerialium et civium Maguntinorum ad invicem facta) viel Zwietracht entstanden ist, soll niemand es wagen, einen anderen unter Berufung auf diese Eide zur Unterstützung zu bewegen, bis im Sinne der Stellung (honor) des Erzbischofs, aber auch der Ministerialen und der Mainzer Bürger durch die Aussteller entschieden ist.

Was die Kaufmannsgaden anbelangt, hängt dies beiderseits von Urkunden ab, wenn diese vorhanden sein sollten; gibt es keine, sind die Mainzer Bürger an das Recht gebunden, und der Erzbischof kann versuchen, sein Ansprüche an den Gaden durchzusetzen, wenn es zu keiner gütlichen Einigung kommt.

Der Erzbischof soll in allen seinen Rechten und Gewohnheiten bleiben, wie er sie offenkundig auch bisher gehabt hat, ebenso die Ministerialen der Mainzer Kirche, die Bürger und die Stadt Mainz.

Burggraf Friedrich von Lahnstein (Lonsteyn), Konrad von Delkenheim (Delkelnheym) und Hermann von Saulheim (Sauwelnheym) sollen sich eidlich verpflichten, alles ihnen oben Aufgetragene auszuführen, und zwar soweit wie möglich sofort, andernfalls bis zum nächsten Osterfest (5. April).

Johannes Brunnesser soll für den Schaden, den er durch die Wegnahme seines Weines bei Bingen erlitten hat, Genugtuung geschehen.

Weil der Erzbischof wegen dieser Zwietracht schwere Unkosten auf sich genommen hat und damit die Mainzer Bürger seine Gnade wieder vollständig erlangen können, sollen sie ihm 1.200 Mark Aachener Pfennige zahlen, eine Hälfte zu Mittfasten (15. März), den Rest bis Christi Himmelfahrt (14. Mai). Bei Zahlungsverzug sollen die Räte der Stadt bei Sankt Alban oder bei Sankt Jakob vor den Mauern im Einlager liegen und die Stadt bis zur vollständigen Zahlung der Rate nicht mehr betreten, andernfalls sie der Bannspruch genauso treffen soll wie die übrigen, die in dieser gegenwärtigen Sühne als Rebellen angesehen worden sind.

Diese Sühne ist mit Strafen abgesichert worden in der Art, dass der Erzbischof von Mainz bei einem Verstoß König R[udolf von Habsburg], dem Kölner Erzbischof [S]iegfried, den Grafen E[micho] von Leiningen, E[berhard] von Katzenelnbogen, H[einrich] von Weilnau (Wilenawe), Johann von Sponheim (Spanheym), dem Wild- und dem Raugrafen (Silvestr[o] et Irsut[o] comit[ibus]), den Edlen R[einhard I.] von Hanau (Hagenauwe) und G[erhard] von Eppstein (Eppensteyn), den Ministerialen, den Bürgern und der Stadt Mainz sowie ihren Anhängern wegen Rat, Hilfe und Unterstützung absagt, die vorgenannten Ministerialen aber ihrerseits bei einem Verstoß ausdrücklich auf die Verteidigung durch den König, die Landesherren, all ihre Freunde und Verwandten sowie die Bürger und die Stadt Mainz verzichten. Die Mainzer Bürger geben bei Verstößen gegen die Vereinbarung ausdrücklich nicht nur Schutz und Verteidigung durch den König auf, sondern sie nehmen auch dessen schwere Ungnade auf sich; ferner entsagen sie der Hilfe und Unterstützung durch die Ministerialen, die Landesherren und ihre Anhänger sowie die anderen Städte.

Siegelankündigung der Aussteller sowie des Erzbischofs Werner von Mainz, des Mainzer Domkapitels, der Grafen Emicho von Leiningen, Eberhard von Katzenelnbogen und Heinrich von Weilnau, der Edlen Reinhard [I.] von Hanau und Gerhard von Eppstein, des Rheingrafen Siegfried, des Truchsessen Siegfried von Rheinberg und der Stadt Mainz.

Actum et datum Maguncie, VIIIᵒ kalendas februarii, anno domini Mᵒ CC LXXVIᵒ.

(1) Nieder-Olm oder Ober-Olm, Kreis Mainz-Bingen.

Überlieferung:

Würzburg, StA, Mainzer Bücher verschiedenen Inhalts 20, fol. 308r-311r, Abschr. (14. Jh.), lat., Perg.

  • Codex diplomaticus Nassoicus 1, 2, Nr. 899, S. 527-531.
  • Turnau, Motive (2013), S. 60 f., 63 und 68 f.;
  • Güntzel, Iudei (2010), S. 39;
  • Volk, Wirtschaft (1998), S. 753;
  • Ziwes, Studien (1995), S. 228;
  • Falck, Glanz (1978), S. 29 (zu 1296);
  • Falck, Mainz (1973), S. 129;
  • GJ 2, 1, S. 493;
  • Fischer, Stellung (1931), S. 181-183;
  • Schrohe, Mainz (1915), S. 65;
  • Von der Ropp, Erzbischof (1872), S. 112 und 183;
  • Bodmann, Alterthümer 1 (1819), S. 29, 164, 270, 351, 588 und 590.

(gem.) / Letzte Bearbeitung: 26.06.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, MZ01, Nr. 7, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ01/CP1-c1-000b.html (Datum des Zugriffs)

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