Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

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Bm. Würzburg 1, Nr. 519

[1336, nach Juli 28]

Ein anonymer englischer Dominikaner berichtet: Zur Zeit Papst Bonifaz' (fuit tempore Bonifacii pape) (1) verkaufte ein christlicher Ritter (miles christianus) um 1340 (circa annum domini M.CCC.XL) (1) in einer Stadt jenseits des Meeres, in der Juden lebten (in civitate quadam in partibus transmarinis, ubi iudei habitabant) (2), eine geweihte Hostie an einen Juden. Dieser verbarg sie in seinem Schuh unter seinem Fuß. Als während des Fronleichnamsfestes feierlich eine Hostie in einem Tabernakel präsentiert wurde, fragte der Jude einen anwesenden Christen, was man denn da so verehre. Er erhielt zur Antwort, dass es sich um den Leib Christi in Gestalt des Brotes handle. Daraufhin entgegnete der Jude: Den habe ich unter meinem Fuß. Ein christlicher Ritter (miles christianus), hörte dies und erschlug den Juden, nachdem er sich noch einmal ausdrücklich vergewissert hatte, richtig gehört zu haben. In dessen Schuh fand man eine blutige Hostie, die sich in den Händen eines Priesters sogleich wieder in ihren unversehrten Zustand zurückverwandelte. Die Juden, die dies sahen, beschlossen, den Ritter, der ihren Glaubensgenossen umgebracht hatte, zu töten. Nachdem sie ihr Vorhaben ausgeführt hatten, wollten verwandte Ritter (milites germani) das Blut ihres Bruders (frater) rächen, der für die Sache Gottes sein Leben gelassen hatte. Als sie von Papst Bonifaz (1) die Genehmigung zur Ausführung ihrer Rachepläne erhalten hatten, töteten sie viele Juden, wo auch immer sie diese in ihrer Region finden konnten (… quoquo possent eorum parte).

(1) Entweder handelt es sich um eine Verwechslung von Papst Bonifaz VIII. (1294-1303) mit dem 1340 amtierenden Papst Benedikt XII. (1334-1342) oder das Ereignis ist den Rintfleischverfolgungen zuzuordnen. Das auch andernorts im Rahmen der Armleder-Verfolgungen auftauchende Motiv der Ermordung eines Ritters durch die Juden aus Rache lässt erstere Variante naheliegender erscheinen.

(2) Hier wird man wohl eine Stadt im Reichsgebiet, aufgrund paralleler Überlieferung mithin in Franken, annehmen müssen.

Überlieferung:

London, British Library, Harley 2316, fol. 12v-13r, Orig., lat., Perg.

  • Cluse, Blut (1996), S. 379.
  • Herbert, Catalogue (1910), S. 576.
  • Rubin, Tales (1999), S. 55;
  • Cluse, Blut (1996).

Kommentar:

Die Exempelsammlung des unbekannten englischen Dominkaners stammt nach Herbert, Catalogue (1910), S. 573, aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts; vgl. dazu auch Cluse, Blut (1995), S. 380. Aufgrund zahlreicher Parallelen zur Darstellung Johannes' v. Winterthur und der dritten Fortsetzung der Chronica s. Petri Erfordensis bezieht sich das von dem Anonymus geschilderte Ereignis wohl auf den Beginn der Armlederpogrome in Franken; vgl. WB01, Nr. 521 und WB01, Nr. 121.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.01.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 519, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/CP1-c1-01yg.html (Datum des Zugriffs)

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