Quellen zur Geschichte der Juden in Westfalen

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211 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 140.

Westfalen 1, Nr. 135

[1332] Januar 25, Frankfurt a. M.

Propst Gerwin von Birnau (Gherwinus prepositus Bernuowens) teilt den Bürgermeistern der Stadt Dortmund, Gerwin von Schmidthausen und Konrad Klipping, sowie den übrigen Ratsherren (dominis Gherwino de Smedehusen et Conrado Clipping, magistris consulum civitatis Tremoniensis necnon consulibus civitatis eiusdem universis) mit, dass der Kaiser den Grafen Gerlach von Nassau und den Grafen von Berg (1) entsandt habe und diesen gemeinsam mit dem Grafen von Dortmund (2) und Propst Gerwin selbst (dominus imperator misit dominum Gerlacum comitem de Nassovia ad comitem de Monte et dedit eius una cum comite Tremoniense et michi omnem auctoritatem) volle Gewalt erteilt habe, über die Inhaftierung der Juden eine Entscheidung zur Ehre der Stadt zu treffen. Als Graf Gerlach und Propst Gerwin zur Hohensyburg (Siberg) gekommen seien, hätten sie vom Grafen von Berg erfahren, dass die Dortmunder die Juden aus der Gefangenschaft entlassen und von den Anschuldigungen befreit hätten (quod vos iudeos de captivitate liberos dimisistis et solutos). Als der Propst dies hörte, sei er besorgt gewesen um das Wohlergehen der Dortmunder (bonum vestrum) und darüber, dass sie seine Rückkehr nicht abgewartet hatten. Die Briefe, die die Dortmunder ihm anvertraut hatten, bewahre er zu ihrem Nutzen auf. Bei seiner [umgehend erfolgten] Rückkehr an den Hof seien dort bestürzt gewesen und der Kaiser verschmähe die Dortmunder zutiefst und beabsichtige, sie gemäß Reichsrecht zur Rechenschaft zu ziehen (imperator maxime vobis dedignatur et volt contra vos iure imperiali procedere), wie seine Briefe und diejenigen anderer Fürsten und Grafen des Reiches, die ihnen in Kürze zugestellt werden, verdeutlichen. Er wundere sich auch über die Beweggründe, die die Dortmunder veranlasst hätten, seine mehrmals geäußerten Ratschläge zu missachten, wonach es besser sei, die Juden in Haft zu halten, als sich den Zorn des Kaisers zuzuziehen (quod melius esset, quod iudei manerent in captivitate et detenti quam vos gravem indignacionem domini imperatoris incurretis). Es sei nämlich zu erwarten, dass Kaiser Ludwig Anspruch auf die Grafschaft Dortmund erheben und sich diese vom Grafen von Dortmund aneignen werde. Dann werde er dort den Grafen von Jülich (3) oder einen anderen einsetzen und die Dortmunder ihres Rechts, dass sie eigener Aussage zufolge in der Grafschaft haben, berauben (… locabit ac ponet ibi comitem Iuliacensem vel alium et privabit vos vestro iure, si aliquot, ut dicitis, habetis comitatu in eodem). Darüber hinaus werde der Kaiser die Dortmunder ihrer Ehre (honor) und sämtlicher Privilegien, die sie von seinen Vorgängern verliehen bekommen haben, berauben und die Stadt zugrunde richten. Aus Sorge um das Wohlergehen der Dortmunder (bonum vestrum) fordert Gerwin die Dortmunder auf, sich der Gnade des Kaisers zu unterwerfen und nicht zuzulassen, dass schlechte und unkluge Menschen zwischen ihnen (4) und dem Kaiser Zwietracht säten. Gerwin gibt zu bedenken, dass die Dortmunder im gesamten Reich keine Unterstützung finden würden, wenn der Kaiser erst einmal die Acht über sie verhängt hätte. Darüber hinaus wünscht er den Dortmundern, dass sie von verständigen Menschen geleitet werden mögen, und bittet sie, falls er etwas Ungünstiges vorgebracht haben sollte, ihm zurückzuschreiben.

Datum Franckenvot in die Conversionis sancti Pauli apostoli.

Rückvermerk:

Honorabilibus viris et discretis dominis Gherwino de Smedehusen, Conrado Clipping ceterisque consulibus universis civitatis Tremonienis detur hec littera (14. Jh.)

(1) Graf Adolf VI. von Berg (1308-1348).

(2) Seit dem Tod Graf Konrads III. von Dortmund im Jahre 1316 war das Herzogtum vor dem Hintergrund des Schismas im Reich umstritten. Im Jahre 1316 ist Konrad von Lindenhorst als Graf belegt, dann wieder von 1330 bis zu seinem Tod 1339.

(3) Graf Wilhelm I. von Jülich (1328-1361; seit 1336 Markgraf, seit 1356 Herzog). Während sein Sohn Wilhelm II. (1361-1393) im Herzogtum Jülich folgte, gelangte dessen Bruder Gerhard durch die 1338 erfolgte Heirat mit Margarete von Berg, Schwester des kinderlosen Grafen Adolf von Berg, 1348 in den Besitz der Grafschaft Berg (1348-1360).

(4) Sämtliche Editionen schreiben inter nos et imperatorem; richtig ist jedoch: vos.

Überlieferung:

Dortmund, StadtA, Best. 1, Nr. 56, Orig., lat., Perg.

Kommentar:

Vgl. zum Vorgang WF01, Nr. 130, WF01, Nr. 131, WF01, Nr. 132, WF01, Nr. 133 und WF01, Nr. 136.

(Jörg R. Müller) / Letzte Bearbeitung: 20.12.2023

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WF01, Nr. 135, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WF01/WF-c1-000u.html (Datum des Zugriffs)

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