Die Koblenzer Juden werden Bürger

31.10.2011, in:

1307 April 20

Ritter, Schöffen und Gemeinde der Stadt Koblenz machen bekannt: Rat und Gemeinde der Juden in Koblenz haben sich verpflichtet zu einer Zahlung von 20 Mark in Koblenz üblicher Münze, die dem städtischen Beauftragten jährlich an Weihnachten auf den jüdischen Friedhof anzuweisen sind, wie dies in einer Urkunde der Judengemeinde näher ausgeführt wird. Im Gegenzug nehmen die Aussteller die Juden zu vollem Recht in ihre Mitbürgerschaft auf. Sie werden die Juden deswegen nicht zu gemeinsamen Steuerleistungen zwingen, mit Ausnahme der Akzise auf Käufe und Verkäufe. - In alledem sollen die Rechte des Trierer Erzbischofs unbeschadet bleiben.

Überl.: Koblenz, StadtA, 623, Nr. 46, Orig., Perg. lat., Siegel zerbr., mit hebr. Rückvermerk מין העירונים שהיהודים הם עירונים בעיר ("Von den Bürgern, dass [auch] die Juden Bürger in der Stadt sind").

Druck: LIEBE, Zustände (1893), S. 372, Nr. II; Urkunden und Akten zur Geschichte Koblenz, Nr. 3, S. 138 f. (fehlerhaft); CLUSE, 1307 (2006), S. 115 f.

Lit.: GILOMEN, Juden in Städten (2009), S. 9; CLUSE, 1307 (2006); HAVERKAMP, Concivilitas (1996), S. 103-105; ZIWES, Gemeinde (1992).

Universis presentes litteras inspecturis vel audituris nos . . milites . . scabini (a) totaque universitas opidi Confluentini cupimus fore notum et subscriptam noscere veritatem. Quod quia . . magistratus et universitas Judeorum in Confluencia se salvo jure domini nostri archiepiscopi Trevirensis unanimiter et bona voluntate obligarunt ad redditus viginti marcarum denariorum usualium in Confluencia nobis seu nostro nuncio ad hoc deputato singulis annis in festo nativitatis domini de cimiterio eorundem assignandos, prout in litteris ipsorum super hoc confectis plenius continetur, nos tamen non solum propter hoc sed magis ob reverenciam et honorem domini nostri predicti eosdem in nostram concivilitatem cum omni jure recipimus per presentes, ita quod eosdem causa (b) concivilitatis ad exacciones nobiscum persolvendas nullatenus coarcemus preter ad assisiam, quam de jure una nobiscum de rebus venditis et emptis persolvere debebunt, in premissis omnibus et singulis jure domini nostri predicti ipsi semper salvo. In cuius rei testimonium et perpetuam firmitatem sigillum nostrum commune duximus presenti apponendum. Actum et datum feria quinta post dominicam Jubilate anno domini M°CCC° septimo.

Anm.: (a) scobini Urkunden und Akten. (b) tam Urkunden und Akten.

Kommentar: Das "Corpus"-Projekt muss auch viele längst bekannte Dokumente systematisch neu aufnehmen, sie buchstäblich noch einmal in der Hand umdrehen. Dabei kam auch der bisher unbeachtet gebliebene hebräische Rückvermerk auf dieser Urkunde ans Licht. Der knappe Vermerk beweist, dass das Stück einmal in einem jüdischen "Archiv" aufbewahrt worden ist, bevor er auf bislang nicht geklärte Weise den Weg in die Bestände der Stadt Koblenz fand. Eine weitere Spur der Erinnerung an die Aktivität der jüdischen Gemeinde von Koblenz ist die Erwähnung einer offenbar verlorenen, wohl hebräischen Vorurkunde im vorliegenden Text.

Der hebräische Rückvermerk zeigt, welche Bedeutung der im lateinischen Text aus­gesprochenen Aufnahme in die Bürgerschaft beigemessen worden ist. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Koblenzer Judenschaft für die vereinbarte jährliche Abgabe von 20 Mark mit ihren Friedhof, d. h. mit der auf Dauer angelegten, wichtigsten Einrichtung ihrer Gemeinde bürgte.

Die Verleihung des städtischen Bürgerrechts an einzelne Juden bzw. Jüdinnen oder die Inkorporation der gesamten Judengemeinde in den Bürgerverband der Stadt ist seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts immer häufiger zu beobachten; in der aktuellen Forschung wird diesem Thema viel Aufmkerksamkeit gewidmet. Den Koblenzer Juden war an einer derartigen Absicherung ihrer Stellung möglicherweise auch deshalb gelegen, weil der Gesundheitszustand ihres Schutzherrn, des Trierer Erzbischofs Dieter von Nassau, Anlass zur Sorge gab: Dieser starb am 23. November desselben Jahres.

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