Quellen zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg (1273–1347)

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Brandenburg 1, Nr. 6

1294 April 30, Frankfurt a. O.

Die Ratsleute der Stadt Frankfurt an der Oder (Consules ciuitatis Frankenuordensis) schlichten eine Auseinandersetzung zwischen den (christlichen Gilde-)Fleischern und den Juden (1) hinsichtlich des Schlachtens (quedam dissensio super opus carnificum inter carnifices ex una parte et inter Judeos ex alia parte):

Zehn namentlich genannte Juden (Mosco, Jacobus suus [des Mosco] sororius, Jacobus apud Johannem de hoghenwalde, Zamson, Glomeke, Dauit, Jacobus apud Hughonem, Josep, Samel, Habram) werden zur Beilegung einer Meinungsverschiedenheit (dissensio) dazu berechtigt, sonntags zwei, dienstags ein, freitags wiederum zwei Stücke (capita) Vieh zu schlachten. (1)

Nach einer allgemein gehaltenen Sanctio: Siegelankündigung der Stadt (civitate sigillo roboratam).

Datum in Frankenuord (2), in vigilia beatorum apostolorum Phy[lippi] et Jacobi. Anno Domini M°. CC. Non. IIII.

Zeugen: Lipholdus, Henricus zulencic, Henneke gallicus, Petrus capman, Thidericus marwiz, Paulus, Conradus prezel, Thi[dericus] Burz, Thi[dericus] Faber, Tho[masius] penesticus, Holtscher, Joh[annes] de Albea. (3)

(1) Die capita dürften sich auf Großvieh (Rinder) und ggf. größeres Kleinvieh (Schafe, Ziegen) beziehen. Schweine sind auszuschließen.

(2) Es liegt nahe, beim Ausstellungsort an Frankfurt an der Oder zu denken.

(3) Die Edition bei Wohlbrück, Geschichte 1 (1829–1832), gibt zwei der Zeugennamen (Lipholdus, Henricus zulencic) nicht wieder.

Überlieferung:

Quelle verloren, wohl verloren (Original ursprünglich StadtA Frankfurt an der Oder), lat.

  • CDB 1, 23, Nr. 6, S. 6;
  • Wohlbrück, Geschichte 1 (1829–1832), S. 397 f.
  • Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer 5, Nr. 4293, S. 334;
  • Zum Codex diplomaticus, S. 22.
  • Maier, Tätigkeitsfelder (2010), S. 67 f.;
  • Kilian-Buchmann, Frankfurt (2008), S. 70, 199 f., 229 und 397 f.;
  • Huth, Entstehung (1975), S. 51 f.;
  • GJ 2, 1, S. 251 f.;
  • Lichtenstein, Vorwurf (1932), S. 194 f.;
  • Heise, Juden (1932), S. 25, 32 und 317;
  • Caro, Sozialgeschichte 2 (1920), S. 174 f. und 186 f.;
  • Spieker, Geschichte (1853), S. 15;
  • Sachse, Geschichte (1830), S. 6 f.

Kommentar:

Die Urkunde ist für die Mark Brandenburg ältestes überliefertes Schriftstück einer Reihe von Regelungen, die Schlachtrechte und die Möglichkeiten des Fleischverkaufs für Juden regeln und somit einen Einblick in ein naturgemäß mit einem gewissen Konfliktpotential beladenen Handlungsfeld und somit in Aspekte christlich-jüdischer Interaktion gewähren.

Anzunehmen ist, dass es sich bei den Juden weniger um die gesamte jüdische Gemeinde – Hinweise darauf fehlen – als vielmehr um alle Juden der Stadt handelt, denen das Schlachten erlaubt wird. Dass diese zehn namentlich genannten Juden zugleich einen Minjan oder gar ein Führungsgremium gebildet haben könnten, ist nicht auszuschließen. Die nähere Bestimmung der Juden mit Attributen spricht zwar generell dafür, dass die Größe der jüdischen Gemeinde eine eindeutige Identifizierung der Personen mit Vornamen und Attribut notwendig machte. Da aber lediglich die drei "Jacobi" mit Attribut ausgestattet sind, nicht jedoch weitere namentlich erwähnte Personen, ist diese Einschätzung zu relativieren.

Heise, Juden (1932), S. 32, geht davon aus, dass "nur noch zehn jüdische Fleischer Vieh schlachten" durften, zuvor also mehr Juden zum Schlachten berechtigt gewesen seien. Das geht allerdings aus der Quelle nicht hervor. Während die bisherige Forschung weit überwiegend die Auffassung vertritt, dass es sich bei den genannten Personen um Fleischer, also professionell Fleisch Verarbeitende handelt, sollte mit GJ 2, 1, S. 251 f., eine Professionalisierung nicht vorausgesetzt werden.

(jrc.) / Letzte Bearbeitung: 26.06.2013

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2013, BR01, Nr. 6, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/BR01/CP1-c1-01w9.html (Datum des Zugriffs)

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