Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 12

1280 Mai 29, Esslingen

Im Esslinger Stadtrecht, das an diesem Tag an die Stadt Brackenheim übertragen wurde, finden sich folgende Bestimmungen in Bezug auf die Juden: Juden dürfen nur bei Tage und niemals bei Nacht (nimmer by der nacht) Pfänder annehmen. Was ein Jude tagsüber als Pfand annimmt, sei es rechtmäßig oder gestohlen oder erraubt (es sye rechtfertigt ald erdiebig ald roubig), soll in seinem Haus vor Beschlag sicher sein (die pfand mag man in dem juden huse anders nit verbieten). Lediglich die Annahme von Kelchen und blutigen Gewändern ist den Juden verboten. Der rechtmäßige Besitzer eines gestohlenen Gutes, das bei einem Juden als Pfand hinterlegt wurde, muss dem jüdischen Pfandleiher die Schuldsumme und die Zinsen zahlen, die bis zum Tag der Auslösung auf diese gewachsen sind. Außerdem muss er mit ehrbaren Zeugen (mit erbern kundschaft) bezeugen, dass das gestohlene Pfand ihm gehört. Desgleichen muss der Jude die Höhe von Hauptgut und Schaden beeiden. Wenn ein Jude gestohlenes oder geraubtes Gut erwirbt (unrechtfertig gut kauft), darf der rechtmäßige Besitzer Klage erheben, als ob sich das Pfand in einem christlichen Haus befände. Wenn ein gestohlener Gegenstand außerhalb eines jüdischen Hauses aufgegriffen wird, darf der rechtmäßige Besitzer diesen an sich nehmen und der Jude verliert Hauptgut und Schaden.

Wenn ein christlicher Bürger einen Juden verklagt und von diesem ein Eid gefordert wird, hat der Jude sechs Wochen Zeit für den Eid. Verklagt aber ein Auswärtiger (gast) einen Juden, muss der Eid sofort geleistet werden. Ein Jude darf nur in Gegenwart eines Richters und einiger anderer Juden vor Gericht geladen werden.

Das Fleisch der von Juden geschlachteten Tiere soll vor den Verkaufsständen hängen (sol vor den húten hangen), sofern dies der Stadtherr oder die Bürger der Stadt erlauben. In diesem Fall dürfen die Juden das Fleisch auch bei den Verkaufsständen (under den hütten) verkaufen. Ausgenommen ist lediglich der Verkauf von finnigem Fleisch (pfinnig flaisch) (1) oder solchem von Ziegen und Böcken (noch böckis noch gaiszins).

Siegelankündigung der Bürger von Esslingen.

Da von gottes geburte warn zwelfhundert jare und achzig jare und der maien dennoch weret dry tage, und geschach das ze Eszlingen in des schulmaister huse.

Rückvermerk:

Perg.

(1) D.h. mit den Eiern von Bandwürmern behaftetes Fleisch.

Überlieferung:

Stuttgart, HStA, Best. A 4, Bü 41, Abschr. (1535), dt.; ebd., J 1, Nr. 136, I, Nr. 8 (Abschr., 18. Jh.).

Kommentar:

Die hier genannten Bestimmungen des Esslinger Stadtrechts unterscheiden sich vom Recht der Stadt Ulm, wie es 1296, 1299 und 1312 zusammengestellt wurde, obwohl König Rudolf von Habsburg 1274 der Stadt Ulm das Recht der Stadt Esslingen übertragen hatte; vgl. KN01, Nr. 3 mit den dort aufgeführten weiteren Verweisstellen. Demzufolge müssen entweder das Esslinger oder das Ulmer Stadtrecht zwischen 1274 und 1296 geändert worden sein. Dass das Ulmer Stadtrecht nicht mehr nach dem Tode König Rudolfs im Jahr 1291 modifiziert wurde, ergibt sich aus der Stadtrechtszusammenstellung von 1299, in der es explizit heißt, dass dieses Recht aus der Zeit Rudolfs stamme. Überhaupt ist es als äußerst unwahrscheinlich zu erachten, dass Rudolf der Stadt Ulm zwischen 1274 und 1291 zwei verschiedene Stadtrechte verlieh, zumal lediglich die Verleihungsurkunde aus dem Jahr 1274 überliefert ist. Folglich ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das Esslinger Stadtrecht zwischen 1274 April 16 und 1280 Mai 25 eine Veränderung erfuhr.

(Christian Scholl und Michael Schlachter) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 12, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-0055.html (Datum des Zugriffs)

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