Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1273-1347)

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Ebm. Mainz 1, Nr. 67

[um 1300]

In seiner um 1506 abgeschlossenen Chronik der Stadt Frankenberg berichtet Wigand Gerstenberg von Hostienfrevelvorwürfen in Frankreich und der Verbrennung von Juden in Hessen aufgrund eines Ritualmordvorwurfs in Thüringen. (1) Von den Pogromen seien auch die Juden in Frankenberg betroffen gewesen, die man nach Geißmar (2) geführt und in einer alten Scheune verbrannt habe (Also worin auch etzliche judden zum Franckenberge. Die furte man geyn Geißmar unde brante sie darselbis in einer alten schuren; …) (3). Lediglich diejenigen, die zum Christentum übergetreten seien, habe man verschont. Die Synagoge soll in der Steingasse gestanden haben. (4)

(1) Hierbei dürfte es sich um die Verfolgungen von Weißensee im Frühjahr 1303 gehandelt haben; vgl. TW01, Nr. 78.

(2) Geismar liegt knapp 5 km nordöstlich von Frankenberg. Die Stadt Frankenberg wurde im 13. Jahrhundert von den thüringischen Landgrafen im Gerichtsbezirk Geismar gegründet und bildete lange Zeit einen Vorposten gegen Kurmainz.

(3) Fol. 18 der Handschrift ist bereits relativ früh verloren gegangen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde der fehlende Text auf einem Ersatzblatt eingefügt, allerdings in gegenüber der ursprünglichen Fassung modernisierter Sprache. Die entsprechende Passage lautet dort: Also waren auch ettliche Juden zum Franckenberge, die fürte man gen Geismah und brandte da [!] in einer alten schůrrn. Die oben angegebene Textfassung ist vom Herausgeber der Chronik rekonstruiert.

(4) In Frankenberg sind während des gesamten Mittelalters keine Juden unmittelbar belegt. In Marburg war 1364 ein Jude mit Herkunftsnamen Frankenberg ansässig; vgl. GJ 2, 2, S. 237.

Überlieferung:

Kassel, UniBib, Landesbibl. und Murhardsche Bibl. der Stadt Kassel, 4° Ms. hass. 26, fol. 27v/18r, Orig.; http://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1336124746452/40/ (Digitalisat), dt., Papier; zu weiteren Abschriften vgl. die Edition von Diemar.

  • Stadtchronik von Frankenberg, S. 425 (dort auch zu weiteren Editionen).
  • GJ 2, 2, S. 237.

Kommentar:

Die 'Landeschonik von Thüringen und Hessen' lässt das Bestreben Wigand Gerstenbergs (1457-1522) erkennen, die zahlreichen benutzten Quellen möglichst detailliert nachzuweisen. In der 'Stadtchronik von Frankenberg', in der viele Angaben aus der Landeschronik übernommen wurden, hat Gerstenberg bei einigen Frankenberger Quellen, die wohl überwiegend gut zugänglich waren, auf detailliertere Angaben verzichtet. Hinzu kommt, dass Gerstenberg nach dem verheerenden Frankenberger Stadtbrand von 1476, bei dem wohl ein Großteil der städtischen Dokumente vernichtet wurde, großzügig Urkunden fälschte, um (vermeintliche) Rechte der Stadt zu belegen. Bei den Angaben Gerstenbergs zur Judenverfolgung, die von zahlreichen Autoren übernommen und häufig ins Jahr 1295 datiert wurden, geht der Herausgeber der maßgeblichen Edition von einer Fälschung des Chronisten aus (Stadtchronik von Frankenberg, S. 424 f. und 431 f.; vgl. auch Ritzerfeld, Stagnation (2007), S. 31). Angesichts der Tatsache, dass Gerstenberg auch Quellen benutzt hat, die nicht mehr erhalten sind, wie zum Beispiel die Chronik Johann Riedesels (gest. 1327), könnte er sich bei der Angabe auch auf ältere Vorlagen gestützt haben. Zu Wigald Gerstenberg und seinem Werk vgl. neben der Einleitung zur Edition Riegg, Identität (2003), Meyer zu Ermgassen, Neues (2007) und Schneider, Chroniken (2007) (jeweils mit weiterführender Literatur)

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 07.01.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, MZ01, Nr. 67, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ01/CP1-c1-00r2.html (Datum des Zugriffs)

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