Judenbetreffe in Synodal- und Konzilsstatuten (1273–1347)

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Synoden und Konzilien 1, Nr. 5

1292 September 14, Aschaffenburg, Aschaffenburg

Die Statuten des unter dem Mainzer Ebf. Gerhard v. Eppstein (1288-1305) in Aschaffenburg abgehaltenen Provinzialkonzils von 1292 bestimmen: Juden beiderlei Geschlechts sollen öffentlich ein Zeichen oder Kleidung tragen, welche(s) sie von den Christen unterscheidet ( […] uterque sexus de gente iudeorum in omni christianorum provincia signum vel habitum publice deferre debeant et frequenter quo a populo christiano manifeste distingui valeant et discerni). Sie dürfen sich in der Karwoche nicht öffentlich zeigen, sondern müssen bei geschlossenen Türen und Fenstern in ihren Häusern verbleiben […], damit die Christen, die der heiligsten Passion mit Zeichen des Wehklagens gedenken, an jenen Tagen durch das jüdische Volk (nicht) verspottet werden ( […] in diebus Dominice passionis in publicum prodire non debeat gens predicta, sed in suis se domibus continere, clausis hostiis (1) et fenestris, ut (2) sicut in eodem concilio tangitur, Christianis, qui sacratissime passionis memoriam exhibentes lamentationis signa pretendunt, illis diebus ab eodem Iudeorum populo illudatur). Sie sollen weder öffentliche Ämter und Würden bekleiden noch über christliche mancipia (3) verfügen ( […] ut Iudei nec publica officia nec aliquas seculares dignitates habeant aut in suis domibus et servitiis mancipia teneant christiana). Nach längerer Beratung und einvernehmlicher Zustimmung der Konzilsteilnehmer wird unverbrüchlich beschlossen, dass Juden beiderlei Geschlechts in sämtlichen Städten, Burgen und weiteren Siedlungen des (Erz-) Bistums und der Mainzer Kirchenprovinz innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntwerden der Bestimmung so beschaffene Zeichen und Kleidung, dass sie ohne jeglichen Zweifel von Christen unterschieden werden können, sich selbst auswählen und in nachweisbarer Form übermitteln. Auch weltliche Würden und öffentliche Ämter, wenn irgendeiner aus dem vorgenannten Volke diesen ungeschmälert vorsteht und nicht von der Beschäftigung christlicher Bediensteter absieht, sollen an den Orten, wo hierin ungehorsame Juden als wohnhaft oder mit Hausbesitz bekannt sind, zur Strafe für die mächtigen Christen die Gottesdienste so lange eingestellt werden, bis die christlichen Fürsten, Machthaber und Adligen, in deren Herrschaftsbereich sich dieses armselige Geschlecht (gens misera) aufhält, die Juden zur Befolgung dieses Statuts gezwungen haben ( […] de multa deliberatione et unanimi approbatione huius sacri concilii irrefragabiliter duximus statuendum, ut in (4) universis civitatibus, oppidis, castris et villis civitatis, diocesis et provincie Moguntine gens Iudeorum utriusque sexus infra duos menses post publicationem huius statuti talia signa et habitum, quibus (5) sine qualibet ambiguitate a Christiano populo distinguatur, sibi eligat (7) et deferat manifeste. Dignitates que (8) seculares et officia publica, si (9) quibus de gente prefata aliquis forte preest, et mancipia christiana prorsus (6) dimittat, alioquin in omnibus locis, ubi Iudei huic sacro et salubri concilio in hac parte obedire nolentes, habitare vel domicilia optinere noscuntur, in penam christianorum potentum tam diu cessetur ab officiis divinorum donec per principes potestates et nobiles Christianos, in quorum territoriis praedicta gens (10) misera conversatur, ad observationem premissorum omnium compellantur).

Die innerhalb der Diözese lebenden Juden werden indirekt durch die Exkommunikation der gegen die Beschlüsse Zuwiderhandelnden Christen betroffen. Wenn ein Jude am Karfreitag auf der Straße gesehen werden sollte oder durch die Tür oder ein Fenster seines Hauses schaut, wird er auf den Schwur zweier christlicher Zeugen hin zur Zahlung einer Mark Silbers an den zuständigen Bischof angehalten. Zur Lösung sollen sowohl der Angeklagte als auch alle diejenigen, die denselben verteidigen, unter Androhung der Exkommunikation veranlasst werden (Ipsi autem Iudaei per locorum diocesanos indirecte per subtractionem (11) communionis Christi fidelium excommunicationis sententia percellantur. Si quis vero de gente praefata in die parasceve visus fuerit in platea, vel per hostium domus sue prospicere aut fenestram (12), ad quod probandum duorum Christianorum stabitur iuramento, is loci diocesano in marca argenti pene nomine teneatur. Et ad cujus solucionem reus (13) et omnes defendentes eundem per excommunicationis sententiam compellantur (14)). Damit kein Christ oder Jude erklären könne, diese Bestimmungen nicht zu kennen, wird sämtlichen Rektoren der Pfarreien in der Mainzer Kirchenprovinz, in deren Sprengel Juden leben, an den jeweils den Quatemberbußtagen folgenden Sonntagen innerhalb der Messen unter Strafe der Exkommunikation bei Zuwiderhandlung befohlen, das Statut in der Volkssprache zu verkünden (Et ne quis Christianus aut Judaeus huius statuti ignorantiam valeat (15) allegare, universis parochiarum (16) rectoribus per Moguntinensem civitatem, diocesim et provinciam constitutis, in quorum parochiis Iudei morantur, sub excommunicationis pena in quoslibet (17) transgressores auctoritate presentis concilii ex nunc late precipimus firmiter et districte, ut quilibet in sua parochia (18) singulis dominicis diebus singula quatuor tempora immediate sequentibus infra missarum sollempnia publice prefatum statutum lingua materna exponere non omittat).

Anno Christi MCCXCII, Nicolai IV. papae ultimo, Adolphi Regis primo. (19)

(1) Im Text steht hostiis, gemeint ist ostiis.

(2) In der Handschrift steht et.

(3) Zum Bedeutungsgehalt von mancipia vgl. SK01, Nr. 3.

(4) in fehlt in der Handschrift.

(5) In der Handschrift folgt et per que.

(6) Hier ist offenbar non ausgefallen.

(7) In der Handschrift steht eligit.

(8) In der Handschrift steht quoque.

(9) In der Edition fehlt si.

(10) In der Handschrift fehlt gens.

(11) In der Handschrift ist hier in eingefügt.

(12) In der Handschrift steht fenestras.

(13) In der Handschrift steht lediglich ad eius solutionem.

(14) In der Handschrift steht percellantur.

(15) In der Handschrift steht valet.

(16) In der Handschrift steht ecclesiarum.

(17) In der Handschrift steht quolibet.

(18) In den Editionen ist in eingefügt.

(19) Die Datierung erscheint nur in den Editionen.

Überlieferung:

Mainz, StadtA, 13/1, Ms. ohne Blattzählung [S. 49-51 des Textes], Abschr. (14. Jh.; in der Fassung der Mainzer Provinzialsynode von 1310), lat., Perg.; zur weiteren handschriftlichen Überlieferung vgl. , Synodalia 3 (1978), S. 64.

  • Grayzel, Church 2 (1989), S. 259 f. (nach Sacrorum conciliorum collectio);
  • Sacrorum conciliorum collectio 24, Sp. 1091 f.;
  • Concilia Germaniae 4, S. 14 f.
  • REM 1, 1, Nr. 860, S. 159.
  • Ruf-Haag, Juden (2009), S. 48 und 198;
  • Schreckenberg, Adversus-Judaeos-Texte (1994), S. 325;
  • Johanek, Synodalia 1 (1978), S. 38 f. und 3 (1978), S. 64;
  • Hannappel, Aschaffenburg (1957), S. 446-449;
  • GJ 2, 1, S. 216.

Kommentar:

Die Originalüberlieferung der Statuten ist seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen; vgl. Hannappel, Aschaffenburg (1957), S. 445, Anm. 37. Die älteste handschriftliche Überlieferung befindet sich in den Statuten des Mainzer Provinzialkonzils von 1310, die die Bestimmungen fast wörtlich vom Aschaffenburger Provinzialkonzil von 1292 übernahmen (De iudeis et eorum signis ex concilio aschaffenburgensi). Das Provinzialkonzil von 1292 lehnt sich in den Bestimmungen über die Juden an Lateran III. und IV. an, möglicherweise auch an ein Aschaffenburger Vorgängerkonzil von 1282; vgl. Concilia Germaniae 3, S. 671. Dessen Beschlüsse sind freilich nicht überliefert und Aussagen zum Inhalt bleiben daher laut Hannappel, Aschaffenburg (1957), S. 445, reine Spekulation. Im Jahre 1294 gestattete Gerhard II. von Eppstein der Bürgerschaft von Erfurt, die Bestimmungen des Aschaffenburger Provinzialkonzils hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht der Juden außer Kraft zu setzen; vgl. TW01, Nr. 58; ferner GJ 2, 1, S. 216, Anm. 5 f.; Ruf-Haag, Juden (2009), S. 48 und 198.

(rri.) / Letzte Bearbeitung: 06.04.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2011, SK01, Nr. 5, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/SK01/CP1-c1-003t.html (Datum des Zugriffs)

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