Quellen zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg (1273–1347)

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Brandenburg 1, Nr. 77

1335 April 22

Die Ratsleute der Stadt Stendal (Consules vniuersi ciuitatis Stendal) richten für die Schlachter der Stadt eine Innung ein (dilectis nostris ciuibus carnificibus dedimus fraternitatem, que inninghe dicitur) und erlassen zugleich eine Satzung, die auch Einfluss auf das Schlachtwesen der Juden nimmt. Diesen nämlich ist das Schlachten nur mit einer städtischen Zulassung erlaubt. Das Fleisch (das zu zerlegende Vieh also) sollen die Juden von den christlichen Fleischern kaufen. Bei Zuwiderhandlung sind die christlichen Fleischer dazu ermächtigt, das Fleisch zu Ungunsten der Juden dem Heiliggeistspital und den Kranken zukommen zu lassen.

Darüber hinaus dürfen die Juden generell nicht in ihren Häusern schlachten, es sei denn, sie hätten ein Kalb im Haus aufgezogen. Das dürfen sie an der Brücke schlachten. Bei Zwiderhandlung war eine Strafe von 21 Schillingen zu entrichten, von denen zwei Drittel dem Rat zustanden, das letzte Drittel aber der christlichen Fleischerinnung:

Nemo ex eis admittere debet iudeos ad mactandum carnes, nisi prius licencia a nobis sit optenta, et qui hoc infregerit iuxta arbitrium ciuitatis emendabit, nec Iudei mactabunt carnes nisi a carnificibus eas emerint, et si hoc infregerint, extunc carnifices plenum a nobis posse, habebunt, mittendi illas carnes Sancto Spiritui et infirmis pro excessibus Judeorum.

Item Judei in domo non mactabunt carnes, sed si h[ab]u[er]int vitulum in domo eductum hunc in ponte mactabunt. (1) Quod si infregerint, cum xxi solidis emendabunt, cuius pecunie nos duas partes habebimus et eorum fraternitas partem tertiam optinebit. (2)

Siegelankündigung des Ausstellers. (3)

Acta sunt haec in nostro consistorio anno [eingefügt superscript: d[omi]ni] M°. C°C°C°. XXX°. quinto infra octavam pasche.

Zeugenschaft durch: nobis consulibus Nycol[ao] Gu[n]t[er]i Reyn[er]eo de Kalue, Denekino noye, Joh[ann]e de Arnborch, Arnoldo vlasmengher, Rolone W[er]ne[re]i, Ebelingho, Gher. Noppowe, Joh[ann]e Bru[n]sw[ich], Arnoldo de Pordiz, Joh[anne] de Bism[a]rk et Hoygero, et pluribus aliis fidedignis.

(1) In der späteren Weisung an den Rat zu Wittenberge (BR01, Nr. 90) heißt es: in ponte ubi carnifices macta[r]e solent mactabu[n]t.

(2) Der gesamte Passus It[em] Judei im domo n[on] mactabu[n]t carnes, sed si h[ab]u[er]int vitulu[m] in domo eductu[m] hu[n]c in ponte mactabu[n]t: quod si inf[re]g[er]int, cu[m] xxi sol[idis] em[en]dabu[n]t, Cui[us] p[e]cu[n]ie nos duas p[ar]tes h[ab]ebim[us] et eo[rum] f[rater]nitas p[ar]te[m] t[er]tia[m] optinebit ist unter Verwendung eines Verweiszeichens am Ende des Textes nachträglich eingefügt. Die Passage Cui[us] p[e]cu[n]ie nos duas p[ar]tes h[ab]ebim[us] et eo[rum] f[rater]nitas p[ar]te[m] t[er]tia[m] optinebit wiederum ersetzt hierin die gestrichene Passage quos eq[ue] cu[m] frat[ertnitate] carnificu[m] dividem[us] und wurde innerhalb der Ergänzung oberhalb der Streichung eingefügt.

(3) Besiegelung nicht erfolgt, da Konzept.

Überlieferung:

Stendal, StadtA, I.061, Orig. (hier: Konzept), lat., Perg.

  • CDB 1, 15, Nr. 121, S. 93–96, hier: S. 94.
  • Maier, Tätigkeitsfelder (2010), S. 65;
  • GJ 2, 2, S. 792;
  • Götze, Geschichte (1873), S. 337–339.

Kommentar:

Offenbar war das Schriftstück ursprünglich als Ausfertigung vorgesehen, konnte dann jedoch aufgrund der zahlreichen Ergänzungen nicht als solche genutzt werden.

GJ 2, 2, S. 792, hebt insbesondere die "starke Einschränkung auf einem wesentlichen Gebiete ihrer [der Juden] wirtschaftlichen Betätigung" hervor. Maier, Tätigkeitsfelder (2010), S. 65, hingegen sieht eine nur leichte Beschränkung. Vgl. auch die Weisung an den Rat zu Wittenberge von 1340 Oktober 15 (BR01, Nr. 90), die die Passage zu Juden nahezu wörtlich übernommen hat. Bereits GJ 2, 2, S. 792, wies darauf hin, dass 1345 auf eine Stendaler Regelung in einer Verordnung Markgraf Ludwigs für die Fleischer der Stadt Perleberg (BR01, Nr. 120) Bezug genommen wird. Ob es sich um die vorliegende Fleischereiregelung gehandelt hat, ist nicht mit Sicherheit zu sagen.

(jrc.) / Letzte Bearbeitung: 26.06.2013

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2013, BR01, Nr. 77, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/BR01/CP1-c1-01xr.html (Datum des Zugriffs)

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