Quellen zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg (1273–1347)

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Brandenburg 1, Nr. 25

1315 Juli 25, Eberswalde

Markgraf Johann V. von Brandenburg (Brandenburgensis et Lusatie marchio) vergleicht in Brandenburg an der Havel (1) die christlichen Gildefleischer mit den Juden: Die Schlachterordnung für Brandenburg 1315 setzt gemäß altem Herkommen (ab antiquo est servatum) fest, dass keine Zugezogenen, Gäste oder Fremden unter den Juden (nullus Judeus advena, hospes vel alienus) schlachten dürfen, bevor sie nicht zu Inhabern des Bürgerrechts gemacht worden sind und als Stadtbewohner aufgenommen wurden (nisi prius ibidem civis effectus fuerit et receptus Burgensis). Den Juden ist Schlachtung für den Eigenbedarf dann erst erlaubt. Im Sommer, wenn nicht gepökelt werden kann, dürfen sie all das Fleisch, das aus rituellen Gründen nicht von Juden verzehrt werden kann (sibi non congruerit, puta quod ad Judeos non pertinet, nec ipsos comedere juxta ipsorum ritum decet), in nicht kleineren Teilen als Vierteln verkaufen. Wenn aber in Herbst und Winter das Pökeln möglich ist, sollen sie auch für den Eigenbedarf schlachten, das unverwertbare Fleisch, die Innereien, am Stück verkaufen (nec per quartalie, sed solummodo vendere potest integraliter totum ventrem).

Gänzlich verboten ist den Juden die Schlachtung von Ziegenböcken (hircos), Ziegen [also Geißen] (capras), Jungstieren (tauros qui Varren teutonice appellantur) und wohlfeilen Kälbern [also Färsenkälbern oder Starken (?)] (viles vitulos), wenn sie selbst diese nicht verzehren wollen.

Wenn die Juden im Rathaus oder hinter dem Haus der Gewandschneider (in curia vel super curiam sartorum […]) bei den dortigen Fleischern selbst schlachten oder [Fleisch] kaufen (incidere seu emedere) wollen, sollen diese ihnen genauso gute Ware geben wie den Christen.

Poenformel und Siegelankündigung des Austellers, Ausfertigung durch den Hofkaplan Johanns, Hermann von Lüchow (Luchow).

Actum et datum Everswolde in nostra presentia. Anno domini millesimo trecentesimo quinto decimo, die beati Jacobi apostoli.

Zeugen: Anna, Herzogin von Breslau (ducissa Wartislavie, nostra genitrix karissima) (2), Heinrich Graf von Lüchow, Busso Gruvelhut (3), der Hoftruchsess (nostre dapifer curie) (4) Slatek (Sloteko), die Ritter Christian von Gerardsdorf, Burkard von Bartensleben (de Bertensleve) (5), Heinrich von Krakau (Krakow), Pescke de Lossow (6), Busso de Mylaw (7), Henning von Vorland, und weitere [ungenannte] ehrbare Leute.

(1) Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 2416, weist darauf hin, dass es sich in erster Linie um die Neustadt Brandenburg gehandelt haben dürfte. Die Begründung dafür - und dazu schweigt sich das Regest aus - ist in den herrschaftlichen Konstellationen zu suchen.

(2) Bei der Genannten kann es sich nur um die mit Herzog Heinrich VI. von Schlesien-Breslau wiederverheiratete Witwe Hermanns (gestorben 1308), die Habsburgerin Anna von Österreich handeln.

(3) CDB gibt fälschlich an: Gruvelbut.

(4) Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 2416, will die Attributierung auf Busso und Slatek bezogen wissen.

(5) Edition der Übersetzung durch Ackermann, Geschichte (1906), S. 6–8, hier: S. 8: Bernhard von Bertensleben.

(6) Edition der Übersetzung durch Ackermann, Geschichte (1906), S. 6–8, hier: S. 8: Baske von Lossow.

(7) Möglicherweise von Milow, so jedenfalls Ackermann, Geschichte (1906), S. 8.

Überlieferung:

Aufbewahrungsort unbekannt, möglicherweise verloren, lat.

  • CDB 1, 9, Nr. 16, S. 11;
  • Fortsetzung der Marggräflichen- nun Chur-Brandenburgischen Urkunden, 2, Nr. 375, S. 929–932;
  • Ackermann, Geschichte (1906), S. 6–8 (in der Übersetzung des Heffterschen Kopialbuches).
  • Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer 5, Nr. 4223, S. 329;
  • Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 2416, S. 674;
  • Zum Codex diplomaticus, S. 22.
  • Maier, Tätigkeitsfelder (2010), S. 66 f.;
  • GJ 2, 1, S. 105 f.;
  • Heise, Juden (1932), S. 19, 35 f.;
  • Tschirch, Geschichte (1928), Bd. 1, S. 71 f.;
  • Dullo, Communalgeschichte 1 (1886), S. 59;
  • Ackermann, Geschichte (1906), S. 6-9;
  • Faulhaber, Handel (1901), S. 13 f.;
  • Schillmann, Geschichte Brandenburg (1882), S. 233-235.

Kommentar:

Der Druck im CDB erfolgt nach Fortsetzung der Marggräflichen- nun Chur-Brandenburgischen Urkunden, 2, Nr. 375, S. 929–932.

Ackermann, Geschichte (1906), S. 9, mit weiteren Beispielen für Schlachtordnungen in der Mark Brandenburg.

Dass Bestimmungen dieser Art nicht nur die entsprechenden Gegebenheiten vor Ort regeln, sondern durchaus auch über längere Dauer Parallelen zu Regelungen in anderen Städten aufweisen, belegt die kurze Schilderung der neu zu regelnden Umstände, unter denen sich die Juden in Frankfurt am Main mit Fleisch versorgten; vgl. Regesten zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Frankfurt am Main, Nr. 415, S. 119 [Zu danken habe ich für diesen Hinweis Herrn David Schnur].

(jrc.) / Letzte Bearbeitung: 11.09.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2013, BR01, Nr. 25, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/BR01/CP1-c1-029e.html (Datum des Zugriffs)

Lizenzhinweis

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