Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 24

[nach 1286 August 23]

Auf der Umschlagseite einer hebräischen Handschrift des 'Sefer Aruch' (1), die nach Auskunft des Kolophons am 1. Elul des Jahres 5046 (2) abgeschlossen wurde, hat ein späterer Schreiber eine Reihe von Personen notiert, die Pfänder in Form von hebräischen Handschriften oder Schmuckstücken hinterlegt haben:

Von Herrn Meir (‎מר' מאיר‏), für 10 Mark einen 'Aruch' (3), ein 'Sefer ha-Terumah' (4), ein[e Kopie der Ordnung] 'Kodashim' (5), ein großes Gebetbuch, einen hebräischen Pentateuch mit dem Kommentar auf der Seite, die Kommentare zu dem Pentateuch und zu den fünf Festrollen (6) sowie 'Haftarot' (7).

Von Herrn Nechemia Kohen (‎מר' נחמי' כהן‏) für 5 Mark Kommentare zur Schrift, einen halben 'Moed' (8), fünf Goldringe und eine silberne Schnalle. Für diese Pfänder bürgen Frau Reine (‎מר' ריינא‏) und ihr Sohn, Herr Perigoros (‎ר' פריגורס‏).

Von Herrn Wicher (Wejacher?) (‎ר' ויחער‏), für 5 Mark Schriften in Übersetzung (‎כתובי' תרגומות‏), 'Selichot' (9) und vier Goldringe.

Von Herrn Michel (‎ר' מיכל‏), für 7 (?) Mark (10) einen Pentateuch mit 'Targum' (11).

Von Baruch von (Bischofs-) Zell (‎ברוך מצלא‏) (12) ein Gebetbuch, eine Mark.

Von Herrn Josef von Überlingen (‎ר' יוסף מאוברלינגן‏) (13), für 4 Mark einen hebräischer Pentateuch, ein Gebetbuch, Ringe und ein Gürtel.

In der Hand des Herrn Mose von Schaffhausen (‎ר' משה משפהוזאן‏) Pfänder für 5 Mark und in der Hand des Herrn Leser (‎ר' לעזר‏) und Süßlin (Susslin) Kohen (‎זושלין כהן‏) Pfänder für 5 Mark.

In der Hand des Herrn Dichrael (?) (‎ר' דיחרל‏) für 2 Mark Pfänder von Frau Bilin (‎ממ'ר בילין‏) (14)

Von Baruch von (Bischofs-) Zell (‎מברוך מצלא‏) (12) ein 'Targum', eine Mark und 18½ Schillinge (dinar, ‎דינ'‏).

Es folgt in großer Schrift – vielleicht von der Hand des ursprünglichen Kopisten – der Name Seligman (‎זלקמן‏), wohl ein Besitzeintrag.

Fortsetzung der Pfänderliste:

'Und er hat weitere Pfänder [für] eine Mark'.

Pfänder aus dem Schulbetrieb (‎מהלימוד‏) (15) von Baruch von Zell: der 'Aruch' (‎הארוך‏ [!]) in seiner Übersetzung für 2 1/4 Mark.

Von Herrn Minman (‎ר' מינמן‏), für 6 Mark zwei 'Machsorim' (16) und zwei silberne Schnallen von den Pfändern der Bürgen.

Weiter unten wiederum in größerer Schrift: 'Natan, Sohn des Herrr Meir, sein Andenken sei zum Leben der zukünftigen Welt' (‎נתן ב'ר מאיר זלה'ה‏‎), wohl als Besitzeintrag.

(1) Es handelt sich um ein Werk des im Jahr 11. Jahrhundert tätigen Natan ben Jechiel.

(2) 1286 August 23. Zur Datierung vgl. das Kolophon auf fol. 347a. Der Name des Schreibers wird hier nicht genannt; an verschiedenen Stellen des Textes sind die Namen Zadok und Zvi hervorgehoben; vgl. Schwarz, Handschriften (1925), S. 44. Demnach trägt ein weiterer Kodex mit dem Sefer Aruch (Wien, ÖNB, Cod. hebr. 10) dasselbe Kolophon, wobei es sich aber um eine Abschrift handeln dürfte.

(3) Möglicherweise handelt es sich um den der vorliegenden Codex.

(4) Eine Schrift des Wormser Gelehrten Baruch ben Isaak (12./13. Jahrhundert).

(5) Der 'Seder Kodashim' ist eine Ordnung der Mischna beziehungsweise des Talmud.

(6) Bei den 'fünf Megillot' handelt es sich um die biblischen Bücher Rut, Hoheslied, Kohelet, Klagelieder und Ester.

(7) Die Lesungen aus den Prophetenbüchern. Im vorliegenden Zusammenhang bleibt unklar, ob es sich bei dem hinterlegten Pfand um eine Handschrift der 'Haftarot' oder um den Kommentar dazu handelt.

(8) Der 'Seder Moed' ist eine Ordnung der Mischna beziehungsweise des Talmud.

(9) Synagogale Klagelieder beziehungsweise Bittgebete.

(10) Der Betrag ist nicht eindeutig zu lesen, weil er korrigiert wurde.

(11) Die (aramäische) Übersetzung zum Pentateuch, der in vielen Bibelhandschriften mit enthalten ist.

(12) Schwarz, Handschriften (1925), S. 45, liest '‎מיכלא‏' (Michle) statt '‎מצלא‏' ('von Zell').

(13) Die Gebrüder Mose und Merold Tannebach, Söhne eines Josefs von Überlingen, werden 1332 Oktober 26 erwähnt (KN-c1-002y).

(14) Schwarz, Handschriften (1925), S. 45, liest '‎ממ'ה‏' ('von 45') statt '‎ממ'ר‏' ('von Frau'), was keinen Sinn zu ergeben scheint.

(15) Ob Baruch ein Kinderlehrer (melammed) war, ist unklar. Er wird ohne Rabbinertitel angeführt (selbst das ‎ר'‏ für 'Herr', also einen Haushaltsvorstand, fehlt), und er arbeitete anscheinend mit Übersetzungen.

(16) Festtagsgebetbücher.

Überlieferung:

Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. hebr. 7, fol. 1a, Orig.; nli ktiv, ad locum (Digitalisat), hebr., Perg.

Kommentar:

Der Zweck der Liste und der Anlass für die Hinterlegung von Pfändern ist nicht geklärt. Denkbar erscheint die Erhebung einer Steuer oder Abgabe beziehungsweise eine andere, außergewöhnliche finanzielle Belastung einer jüdischen Gemeinde. Dafür sprechen die vergleichsweise hohen Beträge von bis zu 10 Mark. Für die veranschlagten Anteile an derartigen Abgaben waren Pfänder zu hinterlegen. Die Notizen bieten wichtige Anhaltspunkte für die Preise jüdischer Handschriften in den Jahrzehnten um 1300.

(Michael Schlachter und Christoph Cluse) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 24, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-000p.html (Datum des Zugriffs)

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