Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 43

1295 August 21

In seiner 1585 verfassten Cronica der Statt Costanz erwähnt Christoff von Schwarzach zum Jahre 1295 das Kentern eines Schiffs auf dem Bodensee, das von 26 Personen lediglich ein Jude überlebt habe: Anno domini MᵒCCᵒLXXXXV, XII kalendas Septembris, an ainem Sunnentag (1), do kam gar ain gäher, grosser, ungetumer wind in dem Bodase. Und ertruͦncken vil Lütt, und sunderbar ain Schiff gieng under zwischent Buͦochharn (2) und Merspuͦrg, da warend XXVI menschen in, die erdruͦncken alle samen, untz an ainem Juden, der kam uß.

(1) 1295 August 21.

(2) Heute Friedrichshafen.

Überlieferung:

Konstanz, StadtA, Best. A I 2, S. 14, Abschr. (1585), dt., Papier.

Kommentar:

Laut einem Eintrag des 18. Jahrhunderts in der Handschrift soll Christoph von Schwarzach die verlorene Chronik des Konstanzer Stadtsäckelmeisters Johannes Stetter von 1391 für den Berichtszeitraum (1206-1388) abgeschrieben haben. Auf Basis dieser Information und eines 41 Manuskriptseiten umfassenden Textblocks für die Zeit von 1222 bis 1397 in den etwa zur gleichen Zeit verfassten und bislang unveröffentlichten Collectaneen des Überlinger Stadtschreibers Jakob Reutlinger (Überlingen, StadtA, Reutlinger, Historische Collectaneen von Überlingen, Bd. 1, S. 181-221), der ausdrücklich als auszugsweise Abschrift aus der Chronik Stetters bezeugt ist, hat Ruppert (Chroniken der Stadt Konstanz), versucht, einen 'Ur-Stetter' zu rekonstruieren. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass lediglich zwei Textstellen in Schwarzachs Chronik explizit einen Bezug zu Stetters Werk aufweisen, obgleich freilich, wie Übereinstimmungen mit entsprechenden Textpassagen Reutlingers nahelegen, Stetter in erheblichem, jedoch nicht mehr im Einzelnen zu rekonstruierendem Umfang als Vorlage genutzt worden sein muss. Kritisch zu Ruppert hat sich bereits Ludwig, Geschichtsschreibung (1894), S. 87-96; Ders., Chroniken (1895), Rieder/Ludwig, Quellen [II: Ludwig] geäußert; vgl. auch Hillenbrand, Geschichtsschreibung der Stadt Konstanz (1975), S. 6 f.; Konstanzer Chronik des Gebhart Dacher, S. 21-50. Zu Person und Werk Stetters vgl. Hillenbrand, [Art.] Stetter (1995) (mit weiteren Literaturangaben) sowie Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters> [Art.] Stetter, Johannes, zu Christoph von Schwarzach vgl. Ludwig, Geschichtsschreibung (1894), S. 76 f.; zu Reutlinger vgl. Brednich, Sammelwerk (1965), S. 42-46; zum Inhalt seiner Collectaneen vgl. Boell, Sammelwerk (1882).

Nachdem der seit den 1460er Jahren bis zu seinem Tod 1471 als Mitglied des Großen Rats in Konstanz und Verwalter des dortigen Kaufhauses fungierende Gebhard Dacher die Konzilschronik Richenthals sowie Jakob Twingers Chronik abgeschrieben hatte, verfasste er gewissermaßen als Ergänzung zu diesen beiden Werken eine Konstanzer Chronik (Chronik des Gebhart Dacher). Als Hauptquelle diente ihm dabei zweifellos Stetters Chronik. Zu Gebhard Dacher und seinem Werk vgl. die Einleitung von Wolff zur Edition und Hillenbrand, [Art.] Dacher (1980) und Hillenbrand, [Art.] Dacher (2004) (mit weiterer Literatur) sowie Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, [Art.] Historia civitatis et episcopatus Constantiensis. Weder Dachers Konstanzer Chronik noch die Collectaneen Reutlingers erwähnen die Begebenheit. Falls Christoph von Schwarzach den Beleg der verlorenen Chronik Stetters entnommen haben sollte, war dieser Dacher und Reutlinger nicht der Aufnahme wert. Die Lindauer Chronik Bertlins von etwa 1600 (Lindau, StadtA, Lit. 19, S. 124) sowie eine deutliche jüngere Randnotiz in den zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Han und Wintersulger verfassten Überlinger Geschichten und Sagen (Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Nr. 98, fol. 151r/v) geben das Ereignis ebenfalls wieder. Auch im Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi wird sowohl in der Urschrift der 1550er Jahre als auch in der zwischen 1568 und 1572 angefertigten Reinschrift auf die Begebenheit Bezug genommen (Chronicon Helveticum 3, S. 137, und Chronicon Helveticum Erg.bd. 1, S. 380), wobei der Autor mutmaßt, dass der Jude überlebt habe, weil er möglicherweise schwimmen konnte (… und kam allein ein jud darvon, der kondt wol schwümmen).

(Jörg R. Müller) / Letzte Bearbeitung: 28.02.2023

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 43, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-004g.html (Datum des Zugriffs)

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