Quellen zur Geschichte der Juden in der Stadt Köln (1273-1347)

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Stadt Köln 1, Nr. 126

1329 Februar 27

Der Enge Rat der Stadt Köln bekundet, dass sich vormals (vurmailz) Gottschalk Moyter, zu der Zeit Parnas der jüdischen Gemeinde von Köln (Goitschalc Moyter, de ir bischof was zuͦ der zyt), an den Rat gewandt hatte wegen eines Streits (zveyinge inde dadincge) zwischen der jüdischen Gemeinde Kölns (der gemeindin der ioitschaf van Kolne) auf der einen Seite und Gottschalk von Münster und seinem gleichnamigen Neffen (Goitschalc van Muͦnster inde Goitschalke sime neven) auf der anderen Seite bezüglich eines Bauwerks, das die beiden gegenüber dem Bürgerhaus von Köln errichtet hatten (van deme buwe, den si gebuyt haint intgein der borger hus van Kolne). (1) Da eine Klage seitens der jüdischen Gemeinde vor dem jüdischen Gericht offenbar nicht zu einem Urteil geführt hatte, war der Enge Rat angerufen worden, dessen Urteil der Parnas und der Judenrat (des vursprochin Goidschalcs Moyters irs bisschofs inde irs gemeynin capittels) im Namen der gesamten Judengemeinde anzuerkennen gelobt hatten, wie es im Eidbuch niedergeschrieben worden ist. (2) Über diese Übereinkunft (muͦtsone) hat sich der Rabbiner Süßkind (meyster Suͦskint der iuͦde) hinweggesetzt und Schande und Schaden über Gottschalk und seinen Neffen gebracht, indem er die Verhängung des jüdischen Banns über sie erwirkte. Als Meister Süßkind sich diesbezüglich vor dem Engen Rat verantworten musste, gab er zu Protokoll, dass er nicht wider den Spruch des städtischen Rates gehandelt habe, sondern weitere Klagepunkte vorgebracht hatte. Die darüber von Süßkind ausgestellten Briefe wurden dem Rat zur Prüfung vorgelegt, der zu dem Schluss kam, dass Süßkind gegen das Urteil verstoßen habe und Buße leisten müsse. Als die von ihm gestellten Bürgen sich nach einer gewissen Zeit weigerten, länger Bürgschaft (borzuͦcht) zu leisten, und Süßkind nicht bereit war, den Ratsspruch anzuerkennen, wurde dieser schließlich in Haft genommen. Nach einer Weile im Kerker willigte der Rabbiner ein, Buße zu leisten, wofür die Kölner Juden Gottschalk Moyter, Enselin und Mannus von Überlingen (Goitschalc Moyter, Enseline inde Mannus von Overlingen, iuden van Kolne) dem Engen Rat bürgten. Als daraufhin Meister Süßkind und seine Bürgen aus der Stadt entwichen, wurden sowohl der vormalige Parnas (3) als auch der amtierende und der Judenrat ermahnt, dafür Sorge zu tragen, dass Gottschalk und sein gleichnamiger Neffe in der Angelegenheit von niemandem mehr belästigt würden. Zudem sollten der Parnas und der Judenrat stellvertretend für die gesamte Judengemeinde (der bisschof inde dit cappittel der ioitschaf vur sich inde vur ir gemeynde irre ioitschaf) eine Urkunde ausstellen, worin sie ihre Unschuld an der Angelegenheit erklärten, und dieses Schriftstück Meister Süßkind zukommen lassen. Dem mit seinen Bürgen aus der Stadt geflohenen Rabbiner erlegte der Enge Rat wegen des Bruchs der von ihm getroffenen Übereinkunft als Strafe die Zahlung von 100 Mark auf, die bis zum ersten Fastensonntag zu entrichten waren (tuschen dit inde des eirsten sundais in der vasten, de nu komen sal) (4). Darüber hinaus sollte Süßkind sämtliche gegen Gottschalk und seinen Neffen getroffenen Maßnahmen widerrufen (5) und dafür Sorge tragen, dass sich zukünftig keiner seiner Freunde, Verwandten oder sonst jemand auf die revidierten Maßnahmen berufen werde. Dies sollte er nach Gewohnheit auf die fünf Bücher Mose vor dem Rodel beschwören (up Moysis buͦgge vur deme rodoile, also as dat gewoinlich is) (6) und zudem Bürgen für 300 Mark setzen hinsichtlich der Einhaltung des Eides, der zudem noch durch die Verhängung des höchsten jüdischen Banns (under deme hoiten banne der ioitschaf) im Falle des Eidbruchs abgesichert wurde. Sollte Süßkind oder jemand anderes in dessen Namen den Eid brechen, seien von den von den Bürgen zu entrichtenden 300 Mark 200 an die Stadt Köln zu zahlen, 100 an Gottschalk und seinen Neffen. Sollte Süßkind seinen Verpflichtungen nicht bis Invocavit nachkommen, sollten weder er noch seine Frau noch seine Kinder die Stadt Köln betreten dürfen, bis er sich zur Einhaltung aller Punkte verpflichtet und 200 Mark an die Stadt Köln bezahlt habe. Zudem sollte er dann noch einen Monat in Haft genommen werden, was durch die Zahlung weiterer 100 Mark abgegolten werden konnte. Die drei Bürgen - Gottschalk Moyter, Mannus Enselin (8) und Mannus von Überlingen - sollten der Stadt Köln eine Buße in Höhe von 100 Mark (7) bis Invocavit leisten und alle von ihnen Gottschalk und seinem Neffen auferlegten Beschwernisse widerrufen beziehungsweise einen Eid leisten, dass sie in der Judenschule, wie es Gewohnheit ist, nichts derartiges getan haben (in irre scholen, as dat gewoinlich is). Zudem sollten sie schwören, dass weder sie noch jemand in ihrem Namen etwas gegen Gottschalk und seinen Neffen unternehmen werde. Für den Fall, dass sie dies nicht innerhalb der gesetzten Frist täten, sollte ihnen das gleiche Strafmaß auferlegt werden wie Süßkind bei Nichteinhaltung der Frist. Sollten Meister Süßkind und seine Bürgen nach Köln kommen, bevor alle Punkte erfüllt seien, solle man sich an ihrem Leib und ihrem Gut bis zur Abgeltung der Schuld schadlos halten.

Dis zuͦ eme urkunde so hain wir der steede meiste ingesegil an desen breif duͦn hangen, in haint duͦn scriven in dat eitbuͦch, up dat it de vaster gehalden werde deis breif, de is gegeven na Goitz geburde dusent druhundert in deme nuͦnindezwencistme iare, des mondais na sente Mathijs dage des apostelz.

(1) Das Kölner Rathaus stand im Judenviertel.

(2) Am 15. Juli 1328 hatte der Enge Rat der Stadt Köln den Streit der jüdischen Gemeinde mit Gottschalk und seinem Neffen dahingehend beigelegt, dass der von den Beklagten begonnene Bau gemäß den ursprünglichen Vorgaben der jüdischen Gemeinde fertiggestellt werden sollte (KO01, Nr. 122). Erst am 19. Januar hatte der Rat der Stadt Köln einen Ausgleich herbeigeführt zwischen Gottschalk, seinem Neffen und Simon von Düren, die die Sühne von 1328 Juli 15 nicht eingehalten und zudem Süßkind beschimpft hatten (KO01, Nr. 125). Am 4. März 1330 sah sich der Enge Rat erneut veranlasst, in der Angelegenheit tätig zu werden (KO01, Nr. 131).

(3) Es handelt sich um Gottschalk Moyter, der als Bürge für Süßkind der Stadt verwiesen und damit offenbar auch seines Amtes enthoben wurde.

(4) 1329 März 12 (= Invocavit).

(5) Das gilt insbesondere für den über die beiden verhängten innerjüdischen Bann.

(6) Da die Torarollen nicht angefasst werden durften, mussten die Juden beim Schwören vor diesen stehend die Hand in einen Kodex mit den fünf Büchern Mose in hebräischer Sprache legen.

(7) Es wird nicht explizit gesagt, ob die 100 Mark von jedem der Bürgen zu zahlen waren. Aufgrund der Tatsache, dass bei Nichteinhaltung aus dem Kontext eindeutig hervorgeht, dass die Strafe von 200 Mark von jedem Einzelnen zu entrichten war, dürfte auch das Strafmaß von 100 Mark für jeden der Bürgen gegolten haben.

(8) Hier wird der zuvor genannte Enselin als Mannus Enselin bezeichnet.

Überlieferung:

Köln, HAStadt, Best. 30, V1, fol. 21r-22r; http://historischesarchivkoeln.de:8080/actaproweb/archive.xhtml?id=Vz++++++00145468MHupElko#Vz______00145468MHupElko (Digitalisat), Abschr. (zeitgleich), dt., Perg.

  • Quellen zur Geschichte der Stadt Köln 4, Nr. 152, S. 152-156;
  • Zwei Cölner Eidbücher, S. 78-85.
  • WJ 1, Nr. 80, S. 93.
  • Schmandt, Judei (2002), S. 74;
  • Bauer, Judenrecht Köln (1964), S. 56;
  • Brisch, Geschichte 1 (1879), S. 122 f.

Kommentar:

Zu den Kölner Eidbüchern vgl. KO01, Nr. 73.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.04.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, KO01, Nr. 126, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KO01/KO-c1-0029.html (Datum des Zugriffs)

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