Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1273-1347)

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Ebm. Mainz 1, Nr. 23

1283 April 23, Nieder-Olm

W[erner von Eppstein], Erzbischof von Mainz und Erzkanzler des Heiligen Reiches für die deutschen Lande (W[ernherus], dei gratia sancte Magunt[inensis] sedis archiepiscopus, sacri imperii per Germaniam archicancellarius) (1), grüßt den Pfarrer von St. Ignaz in Mainz (s. Ignacii Magunt[ie]) und teilt ihm mit, er habe durch eine Klage (querela) der Juden erfahren, dass einige ihrer Feinde (quidam emuli (2) eorundem) ihnen fälschlicherweise gewisse Verbrechen anlasteten (falso quedam crimina eis imponerent), weshalb sie fürchteten, es drohe ihnen unmittelbare Gefahr (eis periculum imminere) (3). Deshalb habe Werner seinen Mainzer Bürgern (nostris civibus Magunt[inis] geschrieben, sie sollten seine Juden in Mainz (nostros iudeos Magunt[ie]), die er mit vollem Recht vom Reich innehabe (quos habemus ab imperio pleno iure), gegen Angriffe böswilliger Menschen getreulich verteidigen (ab insultibus malignancium fideliter defensarent). Danach sei Ritter Herbord Ring von Olm (Herbordus dictus Ring de Olmene, miles) zusammen mit einigen anderen bischöflichen Ministerialen zum Erzbischof gekommen, um sich unter Tränen darüber zu beklagen, dass ein gewisser christlicher Knabe, sein Verwandter (nepos), über dessen gewaltsamen Tod Gerüchte umliefen, aufgefunden und von Mainzer Juden in Mainz elendig umgebracht worden sei (et a iudeis Magunt[inis] Maguntie miserabiliter interfectus). Der Ritter habe erzählt, dass er den ermordeten Jungen, um Klage zu erheben (pro iudicio requirendo), nach Mainz gebracht habe, aber am Betreten der Stadt gehindert und zurückgewiesen worden sei (prohibitus fuerat e repulsus). [Der Erzbischof betont], nachdem das Gerücht über die Tötung des besagten Knaben stärker geworden sei (invalescente […] clamor), habe er sich, um eine Beleidigung Gottes und ein Ärgernis für den christlichen Glauben nicht zu verleugnen (nolentes nec valentes dissimulare iniuriam dei et scandalum fidei christiane), gemäß seinen Amtspflichten persönlich auf den St. Viktorsberg (ad montem sancti Victoris) bei Mainz begeben, um gerecht über eine so große Untat zu urteilen (desiderantes tantum facinus iusto iudicio iudicare). Als er noch auf dem Weg gewesen sei, hätten [jedoch], ohne dass der Urteilsspruch abgewartet worden wäre, schwere Angriffe auf Leib und Gut seiner Juden stattgefunden (insultus graves facti fuerunt in personas et res iudeorum nostrorum), woraufhin er seine Sondergesandten (nuncios nostros sollempnes) zu seinen Richtern und den Mainzer Ratsherren entsendet habe, um die Bevölkerung der Stadt zusammenrufen zu lassen, auf dass sie ihr die Absicht des Erzbischofs, ein rechtmäßiges Gericht abzuhalten, verkündeten. Dies sei ihnen indes in Missachtung des Erzbischofs und Herabwürdigung seiner Jurisdiktion und unter Bruch des Rechts verweigert worden. Ungeachtet dieser Behinderung habe er nochmals seine Beauftragten ausgesandt, um von den Richtern und Ratsherren zu verlangen, dass die Juden [seinem Gericht] überstellt würden, um über sie gemäß der Rechtsordnung zu urteilen. Die Richter und Räte hätten jedoch vor den versammelten Prälaten und regulierten und weltlichen Klerikern der Mainzer Kirchen (coram prelatis et ecclesiis Magunt[inis], tam regularibus quam secularibus) geantwortet, sie wollten sich in dieser Sache in eigener Person[, aber] nicht vor den Nuntien, sondern vor dem Erzbischof selbst verantworten. Letzterer befiehlt daher dem Pfarrer von St. Ignaz, seinen Pfarrangehörigen bekannt zu machen, dass er (Werner) bereit war und ist und [auch künftig] bereit zu sein beabsichtige, in vorliegendem Fall einem jeden zu voller Gerechtigkeit zu verhelfen, sofern er nicht daran gehindert werde.

Datum apud Olmene (4), anno domini millesimo CC LXXXIII, IX kalendas maii. (5)

Rückvermerk:

(a) disz ist ein intschuldigung von eim bisofe [!] von mentz von der Juden wegen und ist der brieff kein not (15. Jh.?); (b) Nil valet amplius. Judaeos concernit (18. Jh.?)

(1) In der Edition fehlt sacri imperii per Germaniam archicancellarius.

(2) [a]emuli kann auch mit 'Verleumder' bzw. 'Neider' übersetzt werden.

(3) In der Edition steht irrig imminuere.

(4) Nieder-Olm, Kreis Mainz-Bingen.

(5) Die Edition Schaabs weist kleinere, den Inhalt nicht tangierende Abweichungen im Wortlaut auf, die kaum auf unachtsames Transkribieren zurückgeführt werden können. Zur Möglichkeit, es habe zwei inhaltlich nicht völlig identische Ausfertigungen dieser Urkunde gegeben, vgl. Turnau, Motive (2013), S. 72, Anm. 176.

Überlieferung:

Mainz, StadtA, U / 1283 April 23, Orig., lat., Perg.

  • Hessische Urkunden 5, Nr. 120, S. 105-107 (mit unvollständiger Intitulatio);
  • Schaab, Diplomatische Geschichte (1855), S. 52 f., Anm. (wohl aus anderer Ausfertigung oder Abschrift, mit dt. Übers. ebda., S. 53-55).
  • Turnau, Motive (2013), S. 70-74;
  • Güntzel, Iudei (2010), S. 117;
  • Ziwes, Studien (1995), S. 229;
  • Weisrock, Juden (1988), S. 33-35 (mit Abb.);
  • Falck, Glanz (1978), S. 29 f. (mit Abb.);
  • Falck, Mainz (1973), S. 131;
  • GJ 2, 2, S. 513;
  • Fischer, Stellung (1931), S. 178-180;
  • Schrohe, Mainz (1915), S. 131;
  • Carlebach, Verhältnisse (1901), S. 73 (zu Mai 9);
  • Stobbe, Juden (1866), S. 257;
  • Wiener, Geschichte Speyer (1863), S. 267;
  • Schaab, Diplomatische Geschichte (1855), S. 51-55.

Kommentar:

Zu der Verfolgung vgl. auch MZ01, Nr. 21.

(gem.) / Letzte Bearbeitung: 20.08.2015

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, MZ01, Nr. 23, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ01/CP1-c1-00mk.html (Datum des Zugriffs)

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