Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1273-1347)

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Ebm. Mainz 1, Nr. 68

1300, [Mainz]

Das sogenannte 'Mainzer Friedgebot' enthält eine Rechtsordnung zur Regelung des städtischen Lebens in der Stadt Mainz, die sich der Schultheiß, die Richter, die Ratsherren und die Bürgerschaft zur Liebe und Ehre Gottes und um des Friedens willen gegeben haben. Mehrfach werden dabei auch die Juden erwähnt, denn die Bestimmungen gelten gleichermaßen für leigen (Laien), cristen unde iuden, reiche und arme, die in Mainz wohnen. In folgenden Artikeln bzw. Zusammenhängen werden die Juden ausdrücklich erwähnt: Welcher Jude einen anderen Juden oder einen Christen zu Mainz verwundet oder schlägt, der soll von dem Schlagen fünf Pfund und von der Wunde zehn Pfund Heller geben und in Mainz bleiben; hat er aber dieses Geld nicht, soll er solange außerhalb der Stadt weilen, bis er sich deswegen mit je einem Juden und Christen, die beide ehrenhaft sind, einigt und die Summe bezahlt (Wel iude ein andrin iuden zu Meinze wundet odir slehit odir einen cristenin, der sal um daz slahin gebin fonf pund und umm die wondin zehin pond heller und sal zu Meinze inne bliben. Und hat er des geldes niht, so sal er also lange uze Meinze varn, bit er des bered wirt bit zwein biederbin mannin, eime iuden und eime cristen, bit er daz gelt giebit). (1) Für alle Bewohner von Mainz, gleichgültig ob Frau oder Mann, Christin oder Jude, gilt, dass wenn einer von ihnen jemand anderen wegen dessen Gut bedroht, die bedrohte Person dem Bürgermeister oder einem anderen Ratsmitglied diese Person benennen soll, auf dass sie dieselbe zu sich zitieren, damit sie sich rechtfertige. (2) Niemand zu Mainz soll Muntleute (munt lude [persönlich Abhängige]) haben (halten), die ihm dienen oder Zahlungen leisten (die ieman dienen odir gebin), es handele sich um Christen oder um Juden (iz sin cristen odir iuden). Falls die [Bürger-]Meister deswegen jemanden anklagen (anesprechint), soll dieser sich durch einen Eid von der Anklage reinigen (sich des inslahin bit sim eide) oder ein Vierteljahr die Stadt verlassen und daraufhin handeln und Entschädigung leisten, wie es die Mehrheit der Ratsmitglieder entscheidet (und darnach dun und bezzerin, als daz merteil des rades sprichit). (3) Anschließend wird verfügt: Wenn jemand der Stadt verwiesen wurde und ein Verwandter von ihm krank und bettlägerig wird oder stirbt, erhält der Ausgewiesene vom Bürgermeister eine Ausnahmegenehmigung für acht Tage, um den Verwandten aufzusuchen, muss aber sodann wieder uz Meinze varin in sine bezzerunge. Wenn eine Frau in Mainz wohnt und jemanden beleidigt oder schädigt oder jemanden dazu anstiftet, einen Mann oder eine Frau an Leib oder Gut zu verletzen oder zu schädigen, und deshalb angeklagt wird, soll sie einen Reinigungseid leisten. Schwört sie jedoch nicht, soll sie wegen ihrer Missetat unter Hausarrest bleiben oder, wenn sie das will, Mainz so lange verlassen, wie dies ein Mann in solchem Fall tun müsste. (4) Sodann wird festgestellt: Gegen den Eid und die aufgeführten Vertragsbestimmungen der [Aussteller] verstößt nicht, was diese mit den Juden von Mainz tun und vereinbaren (Auch nemin uz sunderliche, daz wider unsem eide und unsem gemechnisse niht insi, daz hie vor geschribin ist, waz wir bit den iuden fon Meinze dun, schaffin und ubirdragin). (5) Nach der Vorschrift, dass jeder Ratsherr [das 'Friedgebot'] in der Regel in diesem Monat durch seinen Eid einzuhalten versprechen muss, wird zu den Juden erklärt: Wer einem Juden oder einer Jüdin in Mainz Leid zufügt oder einen Schaden an Leib oder Gut, der soll, wo irgend [möglich,] die vorher beschriebene Entschädigung leisten (Wer die iuden, vrowin odir man, zu Meinze leidigen odir letzit an irme libe odir an irme gude, der sal der vorgenantin bezzerunge zwa dun). (6) Ein Artikel gegen Ende des Dokuments lautet: Fordert ein Jude einen Mainzer Bürger auf, ihm zu helfen nach jüdischem Recht, soll der Jude eine Buße von 40 Pfund Heller an die Stadt zahlen, während sein Helfer mit einem Monat Stadtverweis büßt (Wel iude eischit kein unsen burger, ime zu helfene zu siner sache zu iudeschim rehte, der iude sal gebin vonfzig pond heller zu bezzerunge der stat, und hiner, den er darzu eischit, der sal uz Meinze varin einen mand zu bezzerunge). (7)

[…] wart dirre brief geschribin und gemachit in des iaris friste, als man zelit fon gods geburte dusint iar drau hundirt iar. (8)

(1) Zeile 95-98.

(2) Zeile 106-108.

(3) Zeile 132-135.

(4) Zeile 135-142.

(5) Zeile 143 f.

(6) Zeile 146 f.

(7) Zeile 205-207.

(8) Zeile 174 f.

Überlieferung:

Würzburg, StA, Mainzer Urkunden, Weltlicher Schrank, L 68/2 ½, Orig., dt., Perg.

  • Mainzer Friedgebot 1300, S. 4-9;
  • Rooth, Vrastmunt (1939), S. 71-81;
  • Diplomataria Maguntina 2, Nr. 184, S. 546-559.
  • Steffens, Sprachwandel (2005);
  • Falck, Glanz (1978), S. 32;
  • Falck, Mainz (1973), S. 136 und 178-181;
  • Carlebach, Verhältnisse (1901), S. 67 (zu 1301).

Kommentar:

Die Passagen, die die Juden betreffen, wurden inhaltsgleich in die Redaktion des 'Mainzer Friedgebots' von 1335 übernommen; vgl. Mainzer Friedgebot von 1335, S. 26-29.

(gem.) / Letzte Bearbeitung: 24.09.2015

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, MZ01, Nr. 68, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ01/MZ-c1-000a.html (Datum des Zugriffs)

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