Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 22

1283 Juni 23, Rostock

Eintrag im Rostocker Stadtbuch C:

Es wird bekundet, dass der Jude Schealtiel (1) der Stadt Rostock die Summe von 300 Mark geliehen hat. Die eine Hälfte der Summe ist am 24. Juni 1284 zurückzuzahlen, die andere am 24. Juni 1285 (Notum sit quod Salathiel iudeus concessit civitati Rozstoc CCC marcas, et in festo beati Johannis baptiste ad unum annum C et L marcas sibi debent restitui, et extunc ulterius ad unum annum in eodem festo beati Johannis C et L marce sibi restituentur a civitate impedimentis omnibus amputatis. Actum anno domini MᵒCCᵒLXXXIII in vigilia beati Johannis baptiste). Falls Schealtiel zuvor versterben sollte, zahlt die Stadt das Geld seiner Frau und Kindern zu den oben genannten Terminen zurück. (2) Die Stadtgemeinde nimmt Schealtiel und seine Familie in ihren Schutz auf (Si autem dictum S[alathiel] iudeum ab hoc seculo emigrare contigerit (3), ipsa civitas memoratos denarios uxori sue et pueris temporibus antedictis persolvet et insuper ipsa civitas eundem S[alathiel] iudeum et uxorem suam et pueros in suam protectionem recepit). Falls er sich nach Ablauf der zwei Jahre [über seinen Verbleib] mit der Landesherrin (4) nicht einigen kann, steht es ihm frei, mit seinem Besitz ungehindert und mit Unterstützung der Stadt wegzuziehen (Finitis autem duobus annis si cum domina terre uniri non poterit, cum bonis suis recedendi habebit liberam potestatem, ita quod a nemine debet impediri, et ad hoc civitas ipsum modis omnibus adiuvabit). Ferner wird die Stadt zum 29. September Schealtiel 104 Mark aus der landesherrlichen Stadtsteuer geben (Perinde civitas dabit in festo beati Mychaelis eidem S[alathiel] iudeo C et IIII marcas de censu dando domine terre) (5), ebenso 28 Schillinge, die die Stadt ihm schuldet (Item XXVIII solidos, in quibus civitas tenetur eidem). (6)

(1) Zu Schealtiel vgl. auch NO01, Nr. 21, NO01, Nr. 25, NO01, Nr. 29, NO01, Nr. 31, NO01, Nr. 32, NO01, Nr. 39, NO01, Nr. 57.

(2) Das ist die erste größere Geldsumme, die Schealtiel der Stadt leiht; vgl. NO01, Nr. 25 und NO01, Nr. 29. Zwischen 1283 und 1286 borgt sich die Stadt insgesamt eine Summe von 1200 Mark (sofern Restsummen aus zurückliegenden Geschäften nicht eingerechnet sind) und geht damit Rückzahlungsverbindlichkeiten in Höhe von 150 Mark für die erste Teilsumme von 300 Mark (fällig am 24. Juni 1284 und am 24. Juni 1285) sowie je 100 Mark bei jeder Schoßerhebung (collecta) für die Teilsummen von 400 und 500 Mark nach dem 8. November 1284 beziehungsweise dem 28. Juni 1286 ein.

(3) Bürstenbinder, Judenschutz (2010), S. 136, deutet ab hoc seculo emigrare als erzwungene Auswanderung.

(4) Im Juni 1283 sind damit Nikolaus, Borwin und Johann, die Söhne des 1282 verstorbenen Waldemar, Herrn von Rostock gemeint, die zunächst unter Vormundschaft ihrer Mutter Agnes von Holstein standen (deshalb wohl die weibliche Form). Nach dem Tod seiner Brüder (1284) übernahm Nikolaus um 1286 allein die Regentschaft; vgl. Wigger, Stammtafeln (1885), S. 261 und 265-267. Die Zustimmung des Landesherrn beziehungsweise der Landesherrin war aus Sicht der Stadt für die Gültigkeit der Vereinbarung über die weitere Niederlassung des Juden über Juni 1285 hinaus nötig. Nicht festgehalten ist, ob bereits für die erste Aufenthaltsphase von Juni 1283 bis Juni 1285 eine Bewilligung der Landesherrschaft vorlag.

(5) Der Satz ist nachträglich hinzugefügt (erste Halbzeile auf Rasur). Das dürfte so zu verstehen sein, dass die eigentlichen Empfänger der Abgabe, die Herren von Rostock, Verbindlichkeiten bei Schealtiel hatten, die direkt von der Stadt bedient wurden.

(6) Der Satz ist mit anderer Tinte ebenfalls später hinzugefügt worden. Der komplette Eintrag ist gestrichen.

Überlieferung:

Rostock, StadtA, Best. 1. 1. 3. 1., Nr. 30, fol. 65r, Orig., lat., Perg.

Kommentar:

Zum Rostocker Stadtbuch C vgl. NO01, Nr. 17.

(Johannes Deißler) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 22, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-006g.html (Datum des Zugriffs)

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