Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 72

1312 April 2, Braunschweig

Die Meister der Innungen der Lakenmacher der Braunschweiger Weichbilde Hagen, Neustadt und Altewiek schließen mit den Juden in der ganzen Stadt Braunschweig (mit den joden over alle de stad) einen Vertrag über die Einschränkung des Pfandhandels zu Gunsten der Gilden ab. Demnach sollen die Juden kein in Braunschweig hergestelltes Laken als Pfand annehmen, sondern nur Stücke; annehmen sollen sie auch keine Lakenscheren, Wolle und Garn (se nicht scolen nemen to pande lakene, de to Brunswic sin ghemaket, sunder allene stucke (1) moͤghen se wol nemen, noch nenen lakenschere noch nene wulle noch nen garn). Sollte ein Jude Garn annehmen, dann höchstens zum Preis des Spinnlohns (neme aver en iode garn, dat scal he to losene don vor dat spinnelon unde nicht durere). Wer solche Dinge verpfänden will, der soll das mit Wissens seines Nachbarn tun, und der Jude soll dazu auch einen anderen Juden aus seiner Nachbarschaft hinzuziehen, das Pfand soll man [baldmöglichst] auslösen (unde swe aldusdan ding wel utsetten, dat scal he don mit wettene sines neybures, unde de iode scal oc to sik nemen enen anderen ioden ut siner neyburscap, unde alsodan ding scal me van eme losen). Nimmt der Jude derartige Dinge anders an, soll er Geld und Pfand verlieren (neme he susdan ding boven dat (2), he scal hebben vorloren penninge unde pand). Kann der Christ keinen Nachbarn beibringen, so ist der Jude näher [daran, Recht] zu behalten mit seinem Nachbarn bei ihren wahren Worten ohne Eid (worde deme kerstenen (3) borst sines neybures, so is de iode des neghere to beholdene mit sineme neybure bi eren waren worden ane edh). Dadurch sollen die Vertreter der Gilden der Lakenmacher und ihr Gesinde die Juden und deren Gesinde fördern, falls sie es können (dor disse sake scole we unde use ghesinde de ioden unde ere ghesinde vorderen (4), wor we moghen). Auch sollen die Juden von keinem Nichtbürger und von einem Land- oder einer Landfrau Garn oder Wolle zu Pfand annehmen, falls diese ihren Dienstherrn nicht mit sich bringen (oc en scolen se van neneme gaste nocht lantmanne noch lantvrowen garn eder wulle nemen, se en bringen eren werd (5) mede).

Zeugen sind vom Rat der Neustadt, Herr Gerwin, Rotger, Ludeman von Helmstedt, Ludolf von Ringelheim, Konrad von Hildesheim, Albert Blivot, die Ritter Herr Jordan von Wendhausen, Herr Ludger, der Drost, und Herr Berthold von Veltheim und Ohlendorf, der herzogliche Vogt, sowie die Juden Copsid, Natan von Magdeburg und Isaak von Goslar (Disser dinghe sint tughe de rad ut der Nyenstad, her Gherwin, Rotgher, Ludeman van Helmstede, Ludolf van Ringelem, Conred van Hildensem, Albert Blyvot, her Jorden van Wenthusen, her Ludegher de drozͤte, her Bertold van Velthem, riddere, unde Oldendorp, uses herren voghet, unde Copsin unde Nathan van Meghedeborch, Ysaac van Goslere, de ioden (6)).

Dith is gheschen na goddes bord dusent iar drehundert iar in deme twelften iare, achte daghe na Paschen. (7)

(1) Wohl im Sinn von 'zugeschnittener Ware'.

(2) Im Original boven dat, im Sinn von 'ohne Einhaltung der Bestimmungen'.

(3) Korrigiert aus kerstenes.

(4) So GJ 2, 1, S. 123, Anm. 82; anders Täubler, Plan (1913), S. 23: 'zu Gericht fordern'.

(5) Werd als Dienstherr gedeutet, vgl. GJ 2, 1, S. 123, Anm. 82. Täubler, Plan (1913), S. 23: '(wenn sie nicht den) Wert (ausweisen)'.

(6) Vielleicht handelt es sic um die Vorsteher der Braunschweiger Judengemeinde; vgl. GJ 2, 1, S. 111, und Ebeling, Juden (1987), S. 29. Allein Isaak von Goslar ist aus dem Zinsregister der Neustadt von etwa 1320 bekannt (NO01, Nr. 91).

(7) Der im Gedenkbuch der Neustadt überlieferte Vertrag ist unter dem Jahresdatum 1322 (Anno domini [] CCCͦ XXII) auch in das Degedingbuch des Braunschweiger Weichbildes Hagen eingetragen worden (Braunschweig, StadtA, B I 19: 7, fol. 26r; Edition: UB der Stadt Braunschweig 3, Nr. 29, S. 26-28, hier: S. 26 f.). Da bis auf die Ratsliste die übrigen Zeugen und der Inhalt identisch sind, ist davon auszugehen, dass hier keine Erneuerung der zehn Jahre alten Abmachung erfolgt ist, sondern dass diese lediglich unter falschem Datum eingetragen wurde. Es treten abweichend die Ratsleute des Weichbildes Hagen hinzu, und zwar Jordan Stapel, Ludolf Scherpingh, Albert Kruse, Heinrich Stapel, Gerhard Peperkeller, Johann Frederici, Tile von Himstedt sowie Ludolf Muntaries (Jorden Stapel, Ludolf Scherpingh, Albert Cruse, Henrik Stapel, Ghereke Peperkelre, Johan Vrederekes, Tile van Hemestidde, Ludolf Muntaries). Diese Namen weisen deutlich auf das erste Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts und nicht in die 20er-Jahre.

Überlieferung:

Braunschweig, StadtA, Best. B I 2, Nr. 17, S. 21, Orig., dt., Perg.; ebd., Best. B I 19, Nr. 7, fol. 26r [zu 1322].

Kommentar:

Als Gedenkbücher werden in Braunschweig Stadtbücher vermischten Inhalts bezeichnet, in die Eintragungen über Rechtsgeschäfte von grundsätzlicher Bedeutung Eingang fanden. Das erste Gedenkbuch des Braunschweiger Weichbildes Neustadt umfasst Einträge der Jahre 1304 bis 1446. Zur Archivalie vgl. UB der Stadt Braunschweig 2, S. XI f.

(Josef Dolle und Henning Steinführer) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 72, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-009x.html (Datum des Zugriffs)

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