Von Werra und Leine bis zum Bober: Quellen zur Geschichte der Juden in Thüringen und Sachsen

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Thüringen/Sachsen 1, Nr. 58

1294 Oktober 16, Erfurt

Gerhard, Erzbischof von Mainz, erklärt, dass ihm Rudolf von Nordhausen, Gottschalk von Schmidtstedt, Ratsmeister, und alle Getreuen der Stadt Erfurt 300 Mark Silber übergeben haben, mit denen er Schulden sowie Verpflichtungen der Mainzer Kirche begleichen will. Hierfür überträgt er ihnen mit den vorliegenden Briefen die Münze, das Marktmeisteramt und die beiden Schultheißenämter in der Stadt Erfurt mit allen Einkünften und allem Zubehör sowie mit allen Einkünften, die die Juden ihm und seinen Nachfolgern geben (emolumento, quod de judeis nostris ibidem nobis et successoribus nostris derivari deberet). Dies gilt für die drei Jahre ab dem Zeitpunkt, da die Übertragung an Heinrich von Gotha und Walter Kerlinger (1), die damaligen Ratsmeister, Räte und Bürger, wie es der damalige Brief besagt, beendet ist.

Es folgt als Insert die Urkunde von 1291. (2)

Im Anschluss verspricht der Bischof, dass das Mainzer Kapitel über diese Übertragung bis zum Martinsfest (a festo beati Martini) (3) einen Brief ausstellen wird. (4) Die Herren Berthold von Henneberg, Otto, Propst von Heiligenstadt, Siegfried von Solms, Luppold von Northeim, die Kanoniker in Mainz, Ludwig von Isenburg, Heinrich von Sponheim, Kuno von Reifenberg, Heinrich von Spangenberg der Ältere, Erwin genannt Kranich, Erwin Bibra, Dietrich, Burggraf von Starkenberg, Gunthram, Schenk von Schweinsberg, und Heinrich genannt Fritz, überwachen diese Vereinbarungen versprechen den genannten Bürgern die oben erwähnte Übertragung unter der folgenden Klausel:

Der Erzbischof verspricht ebenso, dass er den Erfurter Juden (judeos nostros Erfordenses) für die drei genannten Jahre neben allen bisherigen verbrieften Freiheiten und Gewohnheiten aus besonderer Gnade bewilligt, kein Juden- oder andere Abzeichen tragen zu müssen (ad portandum signa judaica nec ad alia), wie in seinen Statuten erklärt wird, und schließt sie von den Statuten des Aschaffenburger Konzils, die Juden betreffen, für die dreijährige Frist aus, was auch die Erfurter Geistlichen tun sollen. Zur Bestätigung stellt er diese Urkunde aus und kündigt sein Siegel an.

Actum et datum Erfordie XVII kalendas novembris anno domini M. CC. XCIIII., pontificatus nostri vero anno. (5)

(1) Gemeint ist die Übertragung von 1291 (TW01, Nr. 50).

(2) Nach UB Erfurt 1, Nr. 436, S. 297 f., ist an dieser Stelle lediglich die Urkunde des Erzbischofs von 1291 eingefügt, die wiederum nur als Insert in der am selben Tag ausgestellten Ratsurkunde überliefert ist. Nach Falckenstein ist hier außer Urkunde des Erzbischofs von 1291 auch die Schlussklausel der Ratsurkunde von 1291 eingefügt; Falckenstein, Civitatis Erffurtensis Historia 1 (1739), S. 164, § 8, Anm. a; S. 167 f., § 11, Anm. a.

(3) 1294 November 11.

(4) Die nun folgende Namensliste und die Klausel zu den Aschaffenburger Statuten fehlen bei Falckenstein ganz, obwohl sich die Passage zu den Aschaffenburger Statuten in einer zweiten Urkunde von 1294 findet. Statt dessen fügt Falckenstein hier eine Bestätigung durch das Domkapitel an, die im Wortlaut weder der entsprechenden Bestätigung in der Urkunde von 1291, noch der in der zweiten Urkunde von 1294 entspricht (Falckenstein, Civitatis Erffurtensis Historia 1 (1739), S. 167 f., § 11, Anm. a.); vgl. zur zweiten Urkunde von 1294 UB Erfurter Stifter und Klöster, Nr. 711, S. 406 f. sowie TW01, Nr. 59.

(5) In der unbekannten Vorlage fehlt das Pontifikatsjahr. Es ist mit VI zu ergänzen; vgl. UB Erfurt 1, Nr. 436, S. 297 f., Anm. 2.

Überlieferung:

Erfurt, StadtA, unbekannt, Abschr., lat.

  • UB Erfurt 1, Nr. 436, S. 297 f.;
  • Falckenstein, Civitatis Erffurtensis Historia 1 (1739), S. 167 f., Anm. § 11 (wohl fehlerhaft).
  • Regesten der Stadt Heppenheim, Nr. 93, S. 87 f.;
  • REM 1, 1, Nr. 374, S. 65 f.
  • MRR 4, Nr. 2333, S. 521;
  • Leitzmann, Münzwesen (1862), S. 43 f. (Auszug);
  • Würdtwein, Nova subsidia diplomatica 5, Nr. 20, S. XIV.
  • Lämmerhirt, Erfurt (2010), S. 340;
  • Ruf-Haag, Juden (2009), S. 47 f. und 198;
  • GJ 2, 2, S. 216;
  • Wiemann, Beiträge zur Erfurter Ratsverwaltung 1 (1937), S. 104;
  • Fenner, Erwerbspolitik (1915), S. 45, Anm. 5 oben.

Kommentar:

Die hier angekündigte Urkunde, welche bis zum 11. November 1294 ausgestellt werden soll, folgte offenbar bereits am 18. Oktober (TW01, Nr. 59). In ihr werden die meisten Passagen der Urkunde vom 16. Oktober teils wörtlich wiederholt. Zur Übertragung der Ämter und der Juden 1291 vgl. TW01, Nr. 50. Zum Aschaffenburger Provinzialkonzil und der dort beschlossenen Kennzeichnung von Juden, vgl. SK01, Nr. 5.

Nach UB Erfurt 1, Nr. 436, S. 297 f. wurde die hier besprochene Urkunde vom 16. Oktober im Grünen Buch, fol. 72’, verzeichnet. In diesem ist sie jedoch nicht auffindbar. Falckenstein nennt keine Quelle. Bei der in REM 1, 1, Nr. 375, S. 65 f., angeführten Urkunde im Reichsarchiv München handelt es sich um die Urkunde von 1291, jetzt im StA Würzburg; vgl. TW01, Nr. 50. Der Abdruck im Codex diplomaticus sive anecdotorum 1, Nr. 418, S. 884-886, ist eher eine Zusammenstellung verschiedener Abschnitte der Urkunden von 1291 und 1294.

(mlä.) / Letzte Bearbeitung: 12.02.2016

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, TW01, Nr. 58, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/TW01/CP1-c1-00os.html (Datum des Zugriffs)

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