Von Werra und Leine bis zum Bober: Quellen zur Geschichte der Juden in Thüringen und Sachsen

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Thüringen/Sachsen 1, Nr. 103

1311-1351

Die 1311 aufgeschriebenen und bis 1351 weitergeführten und ergänzten Statuten der Stadt Mühlhausen enthalten mehrere Judenbetreffe:

[1] (1) Schulden, die ein Bürger bei einem Mitbürger hat, dürfen nicht an Juden gegen Wucherzins (ad iudeos sub usura) oder nachteilig an Christen (2) weiterverliehen werden. Darauf steht eine Strafe von einer Mark und die einmonatige Ausweisung aus der Stadt. Statt dessen ist der Schuldner vor Gericht zur Rückzahlung der Schuld zu zwingen.

[2] Fleisch von Vieh, das die Juden schächten (pecora, que iudei (3) mortificant in casis carnificum), darf nicht in den Fleischerläden, sondern nur außerhalb der Läden verkauft werden. Darauf steht eine Straße von zehn Schilling. (4)

[3] (5) Pfänder, die an Juden oder Christen von Bürgersöhnen, die noch im Haushalt der Eltern leben, ohne Wissen der Eltern vergeben werden, (pignora xristianis vel iudeis), können von den Eltern ohne die Zahlung einer Auslösesumme zurückgenommen werden, so dass die Pfandsumme verfällt.

[4] (6) Die Ratsleute dürfen Juden nicht einzeln besteuern, sondern müssen alle zusammen zu einem bestimmten Termin des Jahres veranlagen (Nulli consules debent aliquos judeos specialiter deexactionare. Sed omnes simul debent deexactionare ad terminium vnius anni). Sollte ein Ratsherr einen oder mehrere Juden gesondert besteuern oder nach einer Frist von über einem Jahr von der Gesamtheit der Juden als deren Steuer Geld empfangen (ab universitate iudeorum pro exactione eorum pecuniam (7) reciperent), stehen darauf eine Mark Strafe und ein Monat Hausarrest (cum mense introsedendi). Eine Ausnahme ist die Ankunft eines jüdischen Fremdlings (si advena iudeus adveniret). Dessen Geschoss kann über die Frist hinaus, für welche die Gesamtheit der Juden veranlagt ist, empfangen werden. Darauf steht keine Strafe.

[5] Mehrere Artikel betreffen die vom Rat ausgerufene Heerfolge und die zugehörige Ausrüstung. Diesen folgt der Artikel, nach welchem derjenige, der einen anderen dazu aufruft, er sei Christ oder Jude, dieselbe Buße nicht leisten muss (Wie ouch den andirn aneschriget her si cristen odir jude, die vorluset die selben buzze) (8).

(1) Am Rand verweist der Vermerk Scriptum auf die Übernahme des Artikels in das 1351 erstellte Satzungsbuch.

(2) Die Textpassage vel apud christianos sub dampno wurde von einer dritten Schreiberhand am Rand hinzugefügt.

(3) Ursprünglich iudeis, das s wurde jedoch gestrichen.

(4) Einzelne Worte wurden getilgt und durch dieselben Worte ersetzt. Später erfolgte die Streichung des gesamten Artikels.

(5) Der Artikel wurde von der zweiten Schreiberhand eingetragen. Am Rand verweist der Vermerk Scriptum auf die Übernahme des Artikels in das 1351 erstellte Satzungsbuch.

(6) Der gesamte Artikel ist ein Nachtrag der fünften Schreiberhand.

(7) Das Wort pecuniam wurde nachträglich über der Zeile eingefügt.

(8) Der gesamte Artikel gehört zu einer Reihe von Nachträgen. In den Statuten Mühlhausen, Nr. 362, S. 113, wurde der Beginn dieses Artikels als „wer einen anderen verschreit“ übersetzt, vielleicht da er in Bezug zu den beiden nachfolgenden Artikeln über die rechtliche Regelung von Schuldangelegenheiten gesehen wurde. Allerdings kann sich der Verweis auf die selben Buße nur auf die vorstehenden Artikel zur Heerfolge und die dort genannte Strafe, die bei Missachtung der Aufforderung zur Heeresfolge oder der Bestimmungen zur Ausrüstung anfällt, beziehen. Noch dazu findet sich das Wort schrige ebenso im ersten der Artikel zur Heerfolge in der Formulierung Wan die Rat leszet schrige zu volgene, hier übersetzt: „Wenn der Rat zur Heerfolge aufruft“; vgl. Statuten Mühlhausen, Nr. 358, S. 110. Der hier aufgeführte Artikel scheint sich also darauf zu beziehen, dass ersatzweise eine andere Person die zuvor aufgezählten Dienste leisten kann.

Überlieferung:

Mühlhausen i. Th., StadtA, Statuten der Stadt Mühlhausen von 1311, 10/T 8c, fol. 10r, 17r, 18v, 19v und 28v., dt. und lat.

  • Distanzen (2013), S. 20 f. (nur Statut zur Besteuerung, mit Abb.);
  • Statuten Mühlhausen, Nr. 140, S. 50 f.; Nr. 240, 78 f.; Nr. 256, S. 82 f.; Nr. 267, S. 84 f. und Nr. 358-362, S. 110-113;
  • Lambert, Ratsgesetzgebung, S. 84, 108, 122, 140 und 146.
  • Lämmerhirt, Anfänge (2015), S. 84;
  • Distanzen (2013), S. 18;
  • Statuten Mühlhausen, S. XVIII.

Kommentar:

Die Datierung der ersten Textschicht auf 1311 ergibt sich aus hierin verzeichnetem vor dem Rat verhandelten Fall, welcher auf den 27. Mai 1311 datiert ist. Mehrere Schreiber, die sich aber nach derzeitigem Forschungsstand nicht identifizieren lassen, fügten Nachträge ein. Seit 1351 ersetzte eine mittelhochdeutsche Novelle die Statuten. Artikel, die darin aufgenommen wurden, wurden durch den Vermerk Scriptum am Rand gekennzeichnet. Artikel, zu denen dieser Vermerk fehlt, sind auch nicht in der Novelle erhalten. Wohl aufgrund der Novelle von 1351 wurde der ältere Codex mit einem Messer durchschnitten; vgl. Statuten Mühlhausen, S. XXVI und XXIX f.

(mlä.) / Letzte Bearbeitung: 02.02.2022

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, TW01, Nr. 103, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/TW01/TW-c1-000e.html (Datum des Zugriffs)

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