Von Werra und Leine bis zum Bober: Quellen zur Geschichte der Juden in Thüringen und Sachsen

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281 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 59.

Thüringen/Sachsen 1, Nr. 59

1294 Oktober 18, Erfurt

Gerhard, Erzbischof von Mainz, erklärt, dass ihn im Jahr 1291 Heinrich von Gotha und Walther Kerlinger, damalige Ratsmeister und Bürger der Stadt Erfurt, wegen seiner hohen Schulden bei der Kurie in Rom mit 1.000 Mark unterstützt haben, nämlich mit 600 Mark zu St. Walpurgis (1) und 400 Mark zu St. Martin (2). Dafür hat er ihnen die Münze, das Marktmeisteramt und die beiden Schultheißenämter zusammen mit den Einnahnmen, die er und seinen Nachfolger oder die Mainzer Kirche von den Juden erhalten, übertragen (cum emolumento, quid de judeis nostris ibidem nobis, successoribus nostris vel ecclesie Moguntine derivari debebat). Diese Übertragung setzte am Martinsfest (a festo beati Martini) für elf Jahre ein. Das Mainzer Domkapitel gab seine Zustimmung. Die Ratsmeister und Räte der Stadt Erfurt haben zugesichert, dass die Rechte der Mainzer Kirche in keiner Weise gemindert werden. (3) Dies wurde auch in den von ihm und dem Domkapitel ausgestellten Briefen deutlich gemacht.

Nun haben haben Rudolf von Nordhausen und Gottschalk von Schmidtstedt, Ratsmeister, Räte und Bürger der Stadt Erfurt dem Erzbischof 300 Mark Silber übergeben, mit denen er Schulden sowie Verpflichtungen der Mainzer Kirche begleichen will. Hierfür überträgt er ihnen mit den vorliegenden Briefen die Münze, das Marktmeisteramt und die beiden Schultheißenämter in der Stadt Erfurt mit allen Einkünften und allem Zubehör sowie mit allen Einkünften, die die Juden ihm und seinen Nachfolgern geben. (cum emolumento, quid de judeis nostris ibidem, nobis successoribus nostris vel cclesie Maguntine derivari deberet). Dies gilt für die drei Jahre ab dem Zeitpunkt, da die Übertragung an die vorgenannten Heinrich von Gotha und Walther Kerlinger (4) beendet ist, mit dem Wissen und der Zustimmung des Mainzer Domkapitels in seinem Namen und dem Namen seiner Nachfolger und der Mainzer Kirche und mit allen Rechten und Einkünften. Die Ratsmeister und Räte der Stadt Erfurt sichern zu, dass die Rechte der Mainzer Kirche in keiner Weise gemindert werden. (5)

Der Erzbischof verspricht ebenso, dass er den Erfurter Juden (judeos nostros Erfordenses) für die drei genannten Jahre neben allen bisherigen verbrieften Freiheiten und Gewohnheiten aus besonderer Gnade bewilligt, kein Juden- oder andere Abzeichen tragen zu müssen (ad portandum signa judaica nec ad alia), wie in seinen Statuten erklärt wird, und schließt sie von den Statuten des Aschaffenburger Konzils, die Juden betreffen, für die dreijährige Frist aus, was auch die Erfurter Geistlichen tun sollen. (6)

Nach den genannten elf und den drei darauf folgenden Jahren fallen die vier Ämter mit den Erfurter Juden dem Erzbischof und der Mainzer Kirche zu und die darüber gegebenen Briefe sollen keine Kraft mehr haben. Zur Bestätigung stellt er diese Urkunden aus und will sie mit seinem Siegel und dem des Domkapitels versehen.

Auch Johannes, Dekan, Eberhard, Kustos, und Emercho, Scholastikus, und das gesamte Mainzer Kapitel geben ihre Zustimmung und kündigen das Siegel des Domkapitels an.

Actum et datum Erfordie XVᵒ kalendas novembris anno domini Mᵒ CCᵒ nonagesimo quarto..

Rückvermerk:

mehrzeilige Inhaltsangabe der Urkunde, stark verblasst

(1) 1291 Mai 1.

(2) 1291 November 11.

(3) Bis hierhin wird mit nur geringen Abweichungen und veränderter Zeitform der Wortlaut der Urkunde von 1291 wiederholt (TW01, Nr. 50) bis omni vara.

(4) Dieser zweite Teil der Urkunde bis einschließlich der Nennung Walther Kerlingers entspricht dem Beginn der zwei Tage zuvor ausgestellten Urkunde; TW01, Nr. 58.

(5) Wörtliche Wiederholung der bereits oben verwendeten Passage aus der der Urkunde von 1291 (TW01, Nr. 50) von ita videlicet bis omni vara.

(6) Wörtliche Wiederholung der Zusatzklausel in der zwei Tage zuvor ausgestellten Urkunde (TW01, Nr. 58).

Überlieferung:

Erfurt, StadtA, 0-0/A VII 10a, Orig., lat.

  • UB Erfurter Stifter und Klöster 1, Nr. 711, S. 406 f.
  • REM 1, 1, Nr. 375, S. 66.
  • GJ 2, 2, S. 216;
  • Wiemann, Beiträge zur Erfurter Ratsverwaltung 1 (1937), S. 104.

Kommentar:

Offenbar handelt es sich hier um die Urkunde, deren Ausstellung am 16. Oktober angekündigt wird und bis zum 11. November erfolgen sollte. In der Literatur wird in der Regel nur auf die Urkunde vom 16. Oktober verwiesen, deren Abschrift zur Zeit aber nicht auffindbar ist; vgl. TW01, Nr. 58.

(mlä.) / Letzte Bearbeitung: 12.02.2016

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, TW01, Nr. 59, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/TW01/TW-c1-000f.html (Datum des Zugriffs)

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