Von Werra und Leine bis zum Bober: Quellen zur Geschichte der Juden in Thüringen und Sachsen

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Thüringen/Sachsen 1, Nr. 127

1317-1319

In seiner 1608 im Druck erschienenen Poliographia erwähnt Lorenz Peckenstein im Kapitel über die Stadt Eilenburg zum Jahre 1316 ein Hochwasser, dem im folgenden Jahre ein großen Erdbeben, Seuchen und die Vergiftung von Weiden auf Anweisung boͤser Buben gefolgt seien, so dass in den folgenden drei Jahren mehre Tausend Opfer zu beklagen waren und das gesamte Vieh der näheren Umgebung einging. Damals seien die Täter ihrer Strafe zugeführt worden, zwölf alleine in Eilenburg, weitere in Wurtzen, Döbeln und anderen Orten. Die Schuld dafür habe man den Juden gegeben: Anno 1316 ist diese Stadt mit Wassers gefahr also hart angegriffen … Item das folgende Jahr darauff ein groß Erdbieben, Pestilenz und vorgifftunge der Weyde durch boͤser Buben anleitunge erfolget, daß also wie Pirnensis Monachus annotirt (1), drey Jahr nacheinander an Menschen viel tausent Personen verstorben und bald alles Viehe dero Jegend auf 2 und 3 Meilweges abgangen … Domals auch die Thaͤter, so die Weyde vorgifftet, 12 allein zu Eilenburg, ohne was zu Doͤbeln, Wurtzen und anderen oͤrter geschehen, ihre straffe entphangen, und hat mans den Juͤden Schuld gegeben.

(1) Die freilich nicht vollständige Edition des 1530 abgeschlossenen Onomasticon mundi generale des Pirnaer Dominikaners Johannes Lindner erwähnt die Hungersnot im Artikel zu Eilenburg nicht (Sp. 1549 f.).

Überlieferung:

Gedruckte Publikation, S. 70 f., dt.

  • Poliographia, S. 70 f.

Kommentar:

Aus zeitgenössischen Chroniken verlautet nichts über Kontaminationen von Weideflächen als Ursache der großen Hungersnot im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts sowie über eine etwaige Involvierung von Juden. Vielmehr dürfte es sich hier um eine entweder gezielte oder auf Unkenntnis beruhende Vermischung der in der Mitte des 14. Jahrhunderts gegen die Juden vorgebrachten Brunnenvergiftungsbeschuldigungen (in Frankreich erstmals 1320/21 gegen Leprakranke und Juden) und der wohl unerklärlichen Ursachen für die umfassenden Viehseuchen zur Zeit der Hungersnot handeln. Jeremias Simon hat Peckensteins Darstellung in seiner 1696 erschienenen Eilenburgischen Chronica aufgegriffen (S. 532): Anno 1316, 1317, 1318 erfolgte eine schreckliche Pestilenz, so drei Jahr nach einander waehrte, also daß viel tausend Menschen hier und in den benachbarten Orten darauff giengen. Wie denn auch boese Buben die Vieh-Weide vergiftet, darvon das Vieh auf zwey biß drey Meilen uemher fast alles dahin gestorben. Derselben boesen Buben wurden allhier zu Eilenburg zwoelffe ergriffen, wie auch etliche zu Wurzen und Doebeln und nach Verdienst abgestraffet. Man hat es den Jueden beygemessen, daß es durch ihr Anstifften geschehen.

(Jörg R. Müller) / Letzte Bearbeitung: 28.02.2023

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, TW01, Nr. 127, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/TW01/TW-c1-004w.html (Datum des Zugriffs)

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