Quellen zur Geschichte der Juden in Westfalen

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202 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 36.

Westfalen 1, Nr. 36

[zwischen 1301 und 1350], Soest

Jüngerer Soester Judeneid

Ohne Angaben zum Vorsprecher und den Zeugen der Eidleistung werden lediglich die Umstände genannt, unter denen der Jude schwören musste: Er soll die Hand auf den Rotulus legen, das heißt die Bibelrolle, die die Thora enthält, und einen guten Rock anhaben ohne Unterkleid (Hemd), aber nicht barhäuptig, und soll zwei neue graue Hosen anhaben ohne Fußbedeckung, und er soll auf einer Haut, die in Lammblut geweicht oder gefettet sei, mit einem spitzen Hut auf seinem Haupt stehen und sprechen: Des my N. schult gyfft, des byn ick unschuldich, dat my gode helpe, dey dar schop hemel und erden, loeff und grais, des er nicht en was.

Dann folgen elf Selbstverfluchungen für den Fall des Falscheides. Alle heben an mit der Formel: Unde off ick unrecht swere. Die elfte und letzte Selbstverfluchung beschwört die ewige Verdammnis: Und off ick unrecht swere, dat my god schende und my demme duvel sende myt live und myt seyle und dar ewichlik moite duren sunder ende.

Überlieferung:

Soest, StadtA, Soest, A 3108, S. 21-23, Abschr. (Mitte 15. Jh.), dt.; ebd., Soest, A 2750, S. 3 f. (Abschr., 17. Jh.).

  • WJ 1, Nachträge, Nr. 7, S. 261-263;
  • Soester Recht 6, Nr. 5064, S. 843 f.;
  • Soester Recht 3, Nr. 2040 f., S. 375 f.
  • Maser, Dortmund (1911/12), S. 56 (Teildruck);
  • Vogeler, Soester Gerichtsordnung (1893/94), S. 91 f.;
  • Gierse, Juden in Westfalen (1878), S. 30 f. (Teildruck);
  • Seibertz, Hegeformeln (1867), S. 634 f.;
  • Emminghaus, Memorabilia Susatensia (1749), S. 419-421.
  • Aschoff, Kurkölnisches Hzm. Westfalen (2009), S. 680;
  • Aschoff, Geschichte (2006), S. 72 f.;
  • Magin, Status (1999), S. 326;
  • Ries, Soest (1995), S. 552;
  • Aschoff, Judenbild (1994), S. 71;
  • Aschoff, Judenkennzeichnung (1993), S. 41 (mit längerem Zitat in Anm. 142);
  • Stobbe, Juden in Deutschland (1923), S. 155;
  • Maser, Dortmund (1911/12), S. 55 f.;
  • Chroniken der deutschen Städte 24, S. 94.

Kommentar:

Nach Seibertz, Hegeformeln (1867), S. 620, stammt die alte Soester Gerichtsordnung, in der dieser Judeneid enthalten ist, aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (A 3108: Forma des gemeinen Gerichtsprozesses in dem Gericht vor den vier Bänken gehalten). Die einzelnen Bestandteile der eine lange Entstehungszeit voraussetzenden Gerichtsordnung liegen entsprechend früher. Schon allein diese Überlegung legt für den Judeneid nahe, eine Entstehungszeit vor 1350 für wahrscheinlich zu halten, da zwischen 1350 und 1434, als Juden nach der Pestzeit erstmals wieder in Soest genannt werden (vgl. Aschoff, Soest (1981), S. 510), keine Juden in der Stadt nachzuweisen sind.

Eine genauere Datierung erlaubt die Einordnung des Soester Eides in den breiten Strom der deutschen Judeneide, vor allem in die bei Claussen, Judeneid (1937), S. 180 f., abgedruckten Formeln. Hier zeigt sich, dass der Soester Eid zwischen dem Rechtsbuch nach Distinctionen, III 17, Dist. 46, aus dem 14. Jahrhundert und der Weichbildvulgata in der Berliner Handschrift von 1369 steht: Die Einleitung des Soester Eides folgt den Distinktionen, der Weichbildvulgata alles Übrige. Damit ordnet sich der Soester Judeneid in die von Magdeburg ausgehenden sogenannten Sächsischen Formeln ein und dürfte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Übung gewesen sein.

Mit Ausnahme einiger Konjekturen bietet die Abschrift eine buchstabengetreue Wiedergabe der älteren Form (abgesehen davon, dass die erste Zeile von „Wii – sal“ fehlt). Sinnstörende Fehler erweisen die Vorlage als Abschrift, z. B. „salmen“ statt „sal men“ und „na aman“ statt „Naaman“.

(dia.) / Letzte Bearbeitung: 03.05.2016

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WF01, Nr. 36, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WF01/WF-c1-001h.html (Datum des Zugriffs)

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