Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Worms (1273-1347)

Zurück zur Übersicht

322 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 13.

Bm. Worms 1, Nr. 13

1278

Nach den rekonstruierten Annales Wormatienses des 13. Jahrhunderts hätten im Jahre 1278 die Juden den Wormser Bürgern 400 Pfund Heller gegeben für 'Allmende' von den beiden [Juden-] Gassen, die diese in der Stadt innehatten, sowie für ihren Friedhof, dessen Mauer die Bürger einzureißen beabsichtigten: Anno 1278 iudei dederunt Wormatiensibus civibus quadringentas libras hallensium pro almenda, quam ipsi in duobus vicis apud eos occupaverant, et pro cemiterio eorum, cuius munitionem cives frangere voluerunt. (1)

(1) Fischer, Stellung (1931), S. 114 f., geht mit guten Gründen davon aus, dass der vor der Stadt gelegene, befestigte Judenfriedhof eine bedeutende strategische Funktion für potentielle Angreifer darstellte. Daher musste die jüdische Begräbnisstätte entweder entfestet oder in die städtische Ummauerung einbezogen respektive die städtische Ummauerung in diesem Bereich besonders verstärkt werden. Da für die Juden nur letzteres in Frage kam, wurden sie mit den Kosten für die Baumaßnahmen belastet. Fischer widerspricht explizit der Annahme von Neumann, Geschichte (1865), S. 296, dass es sich bei der Zahlung um eine 'Strafe' gehandelt habe. Kohler/Koehne, Wormser Recht (1915), S. 106, Anm. 3, interpretieren die Quelle dahingehend, dass die Juden ihren Friedhof auf der Allmende der Gemeinde errichtet und daher entsprechende Abgaben zu zahlen hätten.

Überlieferung:

Worms, StadtA, Best. 1 B, Nr. 8, fol. 551r/v, Abschr. (1756), lat., Papier.

Kommentar:

1887 verfasste Adalbert Köster eine Dissertation über die Wormser Annalen, in der er die beiden Rekonstruktionen der verlorenen Annalen durch Friedrich Böhmer und Karl Pertz heftig kritisierte, da ersterer verschiedene Handschriftenfragmente unterschiedlicher Tradition mit sich zuweilen widersprechenden Inhalten miteinander verbunden hatte, indem er die Einträge chronologisch zusammengestellt und als vermeintlich geschlossenes Corpus publiziert hatte, letzterer die Ergebnisse Böhmers übernommen und willkürlich durch das kurz nach 1500 vollendete Chronicon Wormatiense ergänzt hatte (Köster, Wormser Annalen (1887), bes. S. 32-34). Die Ergebnisse Kösters griff Heinrich Boos auf, indem er auf Basis der gegen Ende des 19. Jahrhunderts bekannten Quellen eine neue, allerdings noch immer nicht befriedigende Rekonstruktion der offenbar auf zwei unterschiedlichen Vorlagen, nämlich den Wormser Annalen und einer Bischofschronik des 13. Jahrhunderts, fußenden Texte vornahm (Annales Wormatienses (Boos) und Chronicon Wormatiense saeculi XIII). Ebenso wie bei dem vorliegenden Eintrag offenbart der unbekannte Schreiber der Wormser Annalen eine Vorliebe für die Erwähnung der Zahlung diverser Steuern und Abgaben, so dass ihm eine gewisse Nähe zur Verwaltung unterstellt werden kann. Möglicherweise handelte es sich bei dem Autor um den Schreiber oder sogar den Kämmerer der Stadt Worms. Von den vierzehn zwischen 1254 und 1278 in der Boos'schen Rekonstruktion der Annalen erwähnten Judenbelegen betreffen zwölf Zahlungen der Wormser Juden vornehmlich an die Stadt (Annales Wormatienses (Boos), S. 153-156, 158-160 und 162); vgl. dazu Bönnen, Beziehungen (2013), S. 279; zu den Zahlungen siehe auch Bresslau, Geschichte (1870), S. 171; GJ 2, 2, S. 920 f.; Neumann, Geschichte (1865), S. 296. In der zu Beginn des 16. Jahrhunderts abgefassten Fortsetzung der Wormser Chronik Friedrich Zorns, deren Autorschaft dem Wormser Stadtschreiber Franz Berthold von Flersheim zugeschrieben wird, wird die Textpassage aufgegriffen, allerdings der Passus über die Zahlung der Abgaben für die beiden von Juden bewohnten Straßenzüge in Worms ausgelassen: Anno 1278 hatt die Juden schaffet den bürgern von Worms 400 pfund heller geben, das sie inen iren kirchhof unzerstört gelassen haben, den sie im sinn hatten einzureißen und gar zu schleiffen (Wormser Chronik, S. 128; Worms, StadtA, Best. 1 B, Nr. 5, fol. 98v).

(Jörg R. Müller) / Letzte Bearbeitung: 28.02.2023

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, WO01, Nr. 13, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WO01/CP1-c1-02sd.html (Datum des Zugriffs)

Lizenzhinweis

Die Datensätze stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Lizenz und können unter Berücksichtigung der Lizenzbedingungen frei nachgenutzt werden. Sofern nicht anders angegeben, sind die verwendeten Bilder urheberrechtlich geschützt.

Zurück zur Übersicht