Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1348-1390)
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Ebm. Mainz 2, Nr. 34
1355 November 19, Eltville
Erzbischof Gerlach von Mainz bekundet, dass er Aaron, den Stiefsohn Morsits, und Vivelin, genannt Narrenpfaffe (?), mit Ehefrauen, Kindern, Mägden und Knechten als seine und des [Erz-]Stifts Juden und Bürger aufgenommen hat. Sie können in einer mainzischen Stadt ihrer Wahl vier Jahre lang wohnen, gerechnet ab dem vergangenen Martinstag. Alljährlich sollen sie Gerlach zu Martini mit 20 Florentiner Gulden dienen. Darüber hinaus will dieser nichts von ihnen an Bede oder sonstigen Zahlungen verlangen. Beim Geltendmachen ihrer Schuldforderungen wird er den Juden mit seinem geistlichen oder weltlichen Gericht behilflich sein, wenn sie gültige Schuldbriefe oder entsprechende Zeugen haben bzw. mit Juden den Beweis führen können, dass sie rechtmäßige Erben der Außenstände respektive Schuldurkunden sind, jedoch beansprucht der Erzbischof dann den 'vierten Pfennig' (25 %) der Schuldsumme. Ist die Ausstellung von Dokumenten durch das erzbischöfliche Gericht vonnöten, übernimmt Gerlach die Kosten für deren Besiegelung; zudem will er dafür sorgen, dass ihnen die Advokaten, Schreiber und Prokuratoren nicht zu viel abverlangen. Hält er es für angemessen, sollen Aaron und Vivelin bezüglich der Zinsen (des Gesuchs) einer gütlichen Einigung zustimmen. Ihnen und ihrem Gesinde sichert er so Schutz und Schirm zu, Hilfe beim Schuldeneinfordern und Rechtsschutz gegenüber allem Unrecht. Seinen Bürgern, Amtleuten und Untertanen gebietet er bei seiner Huld, den genannten Juden in allen Nöten und Schuldsachen beizustehen. Falls die Juden in den folgenden vier (1) Jahren verklagt werden, so dass sie an Leib oder Gut davon betroffen sind, soll es den Erzbischof oder die Seinen nur dann kümmern, wenn gemäß dem Judenrecht ein Beweis mit unbescholtenen Christen und Juden gegen sie geführt wird. Nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist können die Juden nach Wunsch ihren Wohnsitz aus dem Erzstift verlegen mit dem Geleit des Erzbischofs über sechs Meilen in jedwede Richtung, doch müssen sie sich zuvor mit diesem geeinigt haben.
Wir, Gerlach et cetera, tuͦn kunt et cetera, daz wir enpangen [!] han zuͦ unsern und unsers stiftes iuden und burgern (1) Aaron, Morsits stifson, Vyvelin genant Narrenpaffe (2), ire wibe und ir kindere, mede und ir knechte, die ir brot eszende sint, ane alle geverde, also, daz sie wonen mogen hinder uns, in welchen unsern steden sie wollent, vier gantze iar, die (3) angiengen an sente Mertins tage nehstir (4). Und sollent sie bede uns dienen alle iar off denselbin sente Mertins tag mit XX (5) gulden von Flor[entz] gudir werunge (6) zuͦ winachten und sollet [!] (7). Und enwollen wir auch die vorgenanten iuͦden her ubir nit dringen odir besweren mit bede odir andirsz (8) odir nyͤman lazen tuͦn von unsern wegen, ane geverde. Auch wollen wir festeclichen yn beholfen sin zuͦ iren schulden, die man yn schuldig ist, der sie gude briefe und kuntschaft hant und der vorgenant schulde und briefe rechte erben sint, daz sie mit iuden wol bewysen mogent, und yn die helfe tuͦn mit unserm geistlichen und werntlichen gerichten. Und waz des geldis von der selben schulde fallen mag odir fellit, da sal uns der vierde pennig ane werden, und waz dar ubir wirt, daz sollen wir und die unsern den vorgenanten iuden odir iren erben ungehindert laszen fallen und iren nutz da miede schaffen. Und wers sache, daz wir die schulde muͦsten in brengen mit unserm geistlichen gerichte, waz dann die briefe kosten an unserm gerichte zuͦ virsigeln, die kost han wir ubir uns genommen und wollen auch bestellen, daz yn von den advocaten, schribern, procuratorn gnedeclich und bescheidinlich geschee, ane geverde. Und sollent uns auch die vorgenanten Aaron und Vyvelin, die iuden, suͦne volgen umb den gesuͦch, wa uns daz zytlich dunkit, ane alle geverde. (9) Wir wollen (10) ernstlich und vestlich (11) beschirmen, schuͤren .. (12) und truwelich beholfen sin, inzefordirn ir sch[o]lt, und virantwerten vor allin unrechtin und unsirn burgern und unsern amptluden und undirtanen festelich gebiedin und gebiedin in diesem briefe by unsern hulden, daz sie den vorgenanten iuͦden und irme gesinde truwelich beholfen sin zuͦ allen iren noden (13) und den selben iren sch[ul]den). Wurden auch die vorgenanten iuͦden bezogen mit dheinirley stucken, die yn an lib oder an guͦt treffen mochten in diesen funff iaren (14) vorgenant, dar sollen wir uns odir die unsern nit ane keren, sie wurden dann bewiset mit unbesprochen cristen und unbesprochen iuͦden, als man ein iuden bilche bewisen sal. Und wers sache, daz den vorgenanten iuden numme fugitte, by uns zuͦ virliben odir wonende nach diesen vorgenanten funff iaren, und sich dann mit uns virrichtit hetten, als da vor geschriben stet, so wollen wir yn, irme gesinde und guͦde guͦt geleide geben und geben in diesem briefe und sie lazen faren ungehindert an libe und an guͦde und sie geleiden sehs mile, wa sie hiͤne wellen, uszgescheiden alle geverde und argelist in allen diesen stucken und artikeln. Des zuͦ urkunde han wir unsir inges[igel] an diesen brieff tuͤn henkin. Datum Eltevil, quinta feria ante Katherine virginis, anno domini millesimo CCCᵒ Lquinto.
(1) Es folgt durchgestrichen: Lemchin den.
(2) Vom Schriftbild her ist eher Nattenpaffe oder Naccenpaffe zu lesen als Narrenpaffe, doch scheinen erstere Versionen keinen Sinn zu ergeben.
(3) Vorstehende vier Wörter wurden über der Zeile eingefügt. Anschließend steht, ebenfalls über der Zeile, aber durchgestrichen: nehst volgen nach gift dis bryves.
(4) Vorstehende sechs Wörter wurden über der Zeile eingefügt. Der Zeitraum wurde ab dem vorangegangenen Martinstag (1355 November 11) gerechnet.
(5) Vorstehender Text ab dem Wort off wurde über der Zeile eingefügt; es folgt darunter durchgestrichen: zehen.
(6) Die folgenden zwei Wörter wurden über der Zeile eingefügt.
(7) Der folgende eingeklammerte Text wurde durchgestrichen: uns odir den unsern, die wir dar zuͦ bescheidin, die alle iar richten und geben off den achten dag nach wynachten, den man nennet den iaris dag.
(8) Die vorstehenden vier Wörter wurden über der Zeile eingefügt; das letzte ist am Ende nicht sicher entzifferbar.
(9) Über der Zeile eingefügt steht hier smidin.
(10) An dieser Stelle folgt ein durchgestrichenes, verschriebenes Wort.
(11) Der folgende Text wurde durchgestrichen: die vorgenanten iuden und ir ingesinde als da vor beschriben stet.
(12) Die folgenden sieben Wörter wurden am Rande ergänzt.
(13) Die folgenden sieben Wörter wurden über der Zeile am Rande ergänzt.
(14) In der Urkunde ist zwar im unteren Teil diesbezüglich zweimal von fünf Jahren die Rede, doch stimmt dies nicht überein mit der weiter oben eingefügten Angabe von vier Jahren, so dass entsprechende Korrekturen weiter unten wohl versehentlich ausgeblieben sind.
Überlieferung:
Würzburg, StA, Mainzer Ingrossaturbuch 4, fol. 153r/v, Abschr. (leicht gekürzt, 14. Jh.), dt. und lat., Papier.
- Ziwes, Studien (1995), Nr. 3, S. 283;
- REM 2, 1, Nr. 423, S. 106;
- Salfeld, Geschichte (1916), S. 154.
- Salfeld, Geschichte (1916), S. 154.
(gem.) / Letzte Bearbeitung: 07.11.2019
Zitierhinweis
Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, MZ02, Nr. 34, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ02/CP1-c1-00om.html (Datum des Zugriffs)
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Einleitung
Ausführliche Informationen zu den Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz finden Sie demnächst in der Einleitung von Gerd Mentgen.