Audiat pacifice frater fratrem – »In Frieden höre ein Bruder den anderen an«

14.09.2011, in: Vortrag

Geistige Auseinandersetzungen von Christen mit jüdischem Gedankengut im mittelalterlichen Herzogtum Österreich - 14. »Arye Maimon-Vortrag« mit Prof. Dr. Fritz Peter Knapp (Heidelberg).

In der jüdischen Welt von Aschkenas steht das mittelalterliche Herzogtum Österreich (heute Nieder- und Oberösterreich) an Bedeutung den rheinischen Zentren Speyer, Worms, Mainz zunächst zwar eindeutig nach, es beerbt diese jedoch teilweise als eine Art Rückzugsgebiet im Hoch- und Spätmittelalter. Hier dürfte auch der Gedankenaustausch mit der nichtjüdischen Mehrheitsbevölkerung lange Zeit besonders ungestört und fruchtbar gewesen sein, was sich in Entlehnung mündlichen Erzählguts niederschlägt. Gerade im Herzogtum Österreich wird aber auch schon seit ca. 1260 die christliche Polemik gegen den Talmud vehement aufgegriffen, zur gefährlichen Waffe aber erst durch die Übersetzung für Laien ins Deutsche durch den sogenannten Österreichischen Bibelübersetzer. Die Verteufelung der Juden als Ketzer ist am ehesten als Widerstand der Laienfrömmigkeit gegen das relativ friedliche Zusammenleben von Christen und Juden im 13./14. Jahrhundert zu verstehen. Nach der Gründung der Universität Wien wird von dem großen Theologen Heinrich von Langenstein sogar der Gedanke des Religionsgesprächs und der freiwilligen, friedlichen Bekehrung wieder ins Spiel gebracht, ehe sich die herzogliche Politik – aus welchen Gründen immer – der Volksverhetzung anpasst. Nach der sog. »Wiener Gesera«, der schweren Verfolgung von 1420, schwenkt auch die Wiener Universitätstheologie auf reine Polemik um. Der Sonderstatus des Landes ist vorbei.

Prof. Dr. Fritz Peter Knapp ist emeritierter Professor für Ältere deutsche Philologie/Mediävistik an der Universität Heidelberg und gehört zu den führenden Vertretern seines Faches im deutschsprachigen Raum. Er hat zahlreiche Beiträge zur mediävistischen Komparatistik (Latein – Deutsch – Französisch), zur Gattungspoetik des Mittelalters, zur Edition lateinischer und deutscher Texte sowie zur regionalen Literaturgeschichte der österreichischen Länder publiziert.

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