Quellen zur Geschichte der Juden in Frankfurt und der Wetterau (1273–1347)

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Reichsstadt Frankfurt und Wetterau 1, Nr. 88

1320 Oktober 1

Der Thesaurar der Kirche zu Fritzlar führt als päpstlicher Delegat (Thessararius [sic!] ecclesie Fritslariensis, iudex unicus a sede apostolica delegatus) ein Zeugenverhör im Prozess zwischen Graf Johann von Ziegenhain und dem Frankfurter Juden Salman, genannt von Bruchsal (Salmannum iudeum in Frankinford dictum de Bruchseldin), (1) durch. Nachfolgende Punkte werden verhandelt:

(1) Der Jude Salman wird beschuldigt, von Graf Johann von Ziegenhain übermäßige und den kanonischen Gesetzen zuwiderlaufende Zinsen (per usurarias pravitates et contra canonicas sanctiones) gefordert zu haben.

(2) Zuvor hatte der Ritter Kraft von Beldersheim d. J., genannt Groppe, auf dem Zug des Grafen gegen den Herrn von Itter ein Pferd verloren und als Ausgleich für den ihm hierdurch entstandenen Schaden mit Wissen Johanns bei dem Frankfurter Juden Salman 24 Mark Kölner Pfennige geliehen (Quod Crafto dictus Groppe miles occasione cuiusdam equi, in servicio dicti domini comitis perditi, de citu [sic!] et mandato ipsius comitis mutuo recepit apud eundem iudeum).

(3) Bei Rückzahlung des Kredits forderte Salman 36 Mark Kölner Pfennige und 49 Pfund Heller, die dem Juden von Kraft d. J. und dem Frankfurter Schultheißen Volrad im Auftrag des Grafen bezahlt wurden (Dictus iudeus extorsit a dicto domino comite sive milite nomine domini comitis triginta et sex marcas denariorum Coloniensium et quinquaqinta libras hallensium minus una libra hallensium […] dictus Crafto de Beldirsheim miles et scultetus Folradus in Frankinford dictam pecuniam pro ipso domino comite pagaverunt). Über diesen Vorgang wurde öffentlich in Frankfurt und den benachbarten Orten gesprochen (quod est publica vox et fama in Frankinford et in locis vicinis).

Es werden drei Zeugen gehört: Kraft von Beldersheim d. J., genannt Groppe, Kraft von Beldersheim, ebenfalls Groppe genannt, (2) und der Frankfurter Schultheiß Volrad. Hierbei wird festgehalten, dass Kraft d. J., nachdem er von der Zinsforderung Salmans erfahren hatte, den Frankfurter Schultheißen Volrad mit Bitte um Unterstützung anrief (pedens ab eo consilium et auxilium). Volrad wiederum wies Kraft d. J. darauf hin, dass er in diesem Fall ohne ein besonderes Mandat des Ebf. Peter von Mainz nicht eingreifen könne, aber mit einem entsprechendem erzbischöflichen Mandat sehr wohl helfen könne (Volradus dixit ad ipsum Craftonem: Accedite dominum archiepiscopum et, si poteritis habere suas litteras ad me, ego expediam vos de ipsa pecunia). Nachdem Volrad vom Erzbischof ein entsprechendes Schreiben erhalten hatte, konnte er die Forderungen Salmans auf eine Gesamtsumme von 50 Mark reduzieren. Hieraufhin wies der Schultheiß die Juden zu Frankfurt an, Salman diese 50 Mark von ihrer jährlichen Steuer auszuzahlen, die dem Ebf. von Mainz zusteht (Et ipse sculetus interponens se obtinuit apud iudeum, quod contentus fuit in quinquaginta marcis et renunciavit ceteris usuris, et ipse scultetus mandavit ipsum Salmannum pagari a iudeis Frankenfordensibus, et pagatus fuit et ipse quinquaginta marce fuerunt domino Moguntino in suis redditibus, quos iudei ei solebant solvere, defalcate).

Das geistliche Gericht kommt nach den Zeugenverhören zu dem Schluss, dass die vorgenannten Anklagepunkte der Wahrheit entsprechen (predict[i] articul[i] esse ver[i]). Die Verhandlung wurde heute vom vergangenen Dienstag am gleichen Ort fortgesetzt (continuata a feria tercia precedente). Das Urteil soll in drei Tagen (1320 X 23) verkündet werden (Et ipsi accusatori terminum ad ferendam sentenciam diffinitivam, videlicet feriam quintam proximam post diem beati Galli) (3).

Feriam quintam proximam post diem beati Galli.

(1) Im weiteren Verlauf der Urkunde wird Salman an einer Stelle auch Samuel von Bruchsal (Samuelem de Bruchseldin) genannt. Es handelt sich bei ihm ev. um einen Nachkommen des im Jahr 1288 genannten Isaak von Bruchsal (de Bruchselde), der gemeinsam mit dem damaligen Judenmeister Anselm und der Gemeinschaft der Juden zu Frankfurt einen Zins verkauft, der auf dem an die Synagoge stoßenden Gemeindehaus liegt (vgl. FW01, Nr. 24).

(2) Hierbei dürfte es sich um Vater und Sohn handeln.

(3) Über das angekündigte Urteil des geistlichen Gerichts ist leider nichts überliefert.

Überlieferung:

Marburg, StA, H Ziegenhain, Orig., lat., Perg.

  • UB Frankfurt 2, Nr. 150, S. 119-122.
  • Quellen zur Geschichte der Juden im HSTA Marburg 1, Nr. 26, S. 7;
  • UB zur Geschichte der Juden in Frankfurt, Nr. 44, S. 13;
  • REM 1, 1, Nr. 2200, S. 431 (ungenau).
  • GJ 2, 1, S. 241;
  • Kracauer, Aus der inneren Geschichte (1914), S. 30.

(dsc.) / Letzte Bearbeitung: 07.01.2014

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2011, FW01, Nr. 88, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/FW01/CP1-c1-00y0.html (Datum des Zugriffs)

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