Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 48

1298 [nach April 20]

Der unbekannte dominikanische Autor der Historiae memorabiles schreibt zeitnah: Zu der Zeit, als in ganz Franken die Juden verfolgt wurden, begneten einem Ritter bei Konstanz zwei schnell einherschreitende Juden (velociter ambulantes). Auf seine Frage, wo sie herkämen, entgegneten sie, dass sie aus Franken kämen. Auf seine erneute Frage nach dem Grund für ihre [offensichtliche] Flucht aus dieser schönen Gegend antworteten sie, dass sie vor einem Mann namens Rintfleisch (homo cognomine Rindflaisch) auf der Flucht seien, der viele von ihnen ohne gerichtliches Urteil dem Tode überantwortet hatte. Daraufhin fragte der Ritter erneut, was sie verbrochen hätten, da so etwas nicht grundlos geschieht. Die Juden antworteten, dass ihnen der Grund dafür nicht bekannt sei. Als der Ritter ihnen drohte, sie umzubringen, wenn sie ihm nicht sogleich den Grund für die Ermordung der Juden mitteilten, beharrten sie darauf, nichts zu wissen. Daraufhin führte der Ritter sie zum nächsten Dorf, rief die Leute zusammen und ließ den älteren Juden vor aller Augen verbrennen. Daraufhin sagte er dem jüngeren Juden vertraut und freundschaftlich (familiariter atque amicabiliter), dass ihm nichts geschehen und er unversehrt zu den Seinen zurückgeführt werde, wenn er ihm mitteile, was die Juden den Christen Schlimmes angetan hätten. Dazu verpflichtete sich der Ritter freiwillig. Darauf sagte der Jude, dass die Juden in der Diözese Würzburg (nos iudei in diocesi Herbipolensi) sich vor 15 Jahren eine von einem christlichen Priester konsekrierte Hostie beschafft hätten. Danach habe ihr Vorsteher (supremus noster) sie versammelt und vor ihren Augen die Hostie durchstochen, aus der unablässig Blut gelaufen sei. Als unter ihnen Ratlosigkeit entstanden sei, hätten die angesehensten der Juden die Hostie in Leinwand eingehüllt und verborgen, damit sie sie besser traktieren konnten. Nach dem zweiten Stich verwandelte sich die Hostie in Fleisch, nach dem dritten nahm sie die Form eines Knaben an, um sich nach dem vierten in den am Kreuz hängenden Jesus zu verwandeln und sofort darauf ganz zu verschwinden. Obwohl Christus den Juden diese und viele andere Zeichen gezeigt hatte, waren sie keinesfalls bereit zu konvertieren. Für diese und andere Sünden ereile sie jetzt und auch in Zukunft die Strafe. Der Ritter antwortete (1), dass er den Juden, weil er die Wahrheit gesagt hatte, unbeschadet ziehen lasse. (2)

(1) An dieser Stelle bricht der Text der von Kleinschmidt edierten Donaueschinger Handschrift ab.

(2) Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Cod. 64, fol. 191r: … quia veritatem dixisti, ducam te ad locum, quo sine lesione corporis possis abire; vgl. auch Georges, Graf (1999), S. 60.

Überlieferung:

Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 704, fol. 205v-206r, Abschr. (Mitte 16. Jh.), lat., Papier; Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Cod. 64, fol. 190r-191r (Abschr., Mitte 16. Jh.).

Kommentar:

Zu den im Umfeld des Colmarer Dominkanerkonvents entstanden Historiae memorabiles vgl. EL01, Nr. 31.

(Jörg R. Müller) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 48, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/CP1-c1-00zj.html (Datum des Zugriffs)

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