Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)
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Bm. Konstanz 1, Nr. 45
1296 August 9, Ulm
Anlässlich der Übertragung des Ulmer Stadtrechts an die Stadt Ravensburg, welche König Adolf von Nassau am 15. Juli 1296 vornahm (1), stellen der Ammann Otto, der Rat und die Bürger von Ulm in einer Urkunde das Ulmer Stadtrecht zusammen. Darin werden folgende Bestimmungen bezüglich der Pfand- und Darlehensgeschäfte der Juden genannt:
[1.] Vom Gericht beschlagnahmte und vom Richter zur Pfändung freigegebene Pfänder sind, sofern dies möglich ist, bei den Juden zu hinterlegen. Ist dies nicht möglich, sollen die Pfänder verkauft werden: Quid iuris pignorum, que per iudicem fiunt: assignata et licentiata statim sunt apud iudeos obliganda, si fieri potest. Sin autem, vendenda sunt est dicendum est illi, cuius sunt, cum testibus festinanter.
[2] Wenn in der Zeit zwischen Septuagesima und der Osteroktav, d. h. zwischen dem neunten Sonntag vor Ostern und dem Weißensonntag, in der kein Eid in Schuldsachen geschworen werden darf, ein Gläubiger seinen Schuldner wegen Schulden belangt, so wird der Kläger (also der Gläubiger) durch ein Pfand, das zu seinen Gunsten bei den Juden zu hinterlegen ist, abgesichert. Nach Ablauf des oben genannten Zeitraums soll derjenige, der vom Gericht Recht bekommt, frei von Schaden bleiben: Item si civis in civem medio tempore pro debitis suis agit, talis datur sententia, quod actori iacens pignus est assignandum ac obligandum apud Iudeos donec ad tempus pretaxatum et tunc dampnum dampno accumulatur, habente iustitiam indempne permanente). (2)
Actum et datum Ulme, anno gratie MᵒCCᵒXCᵒVIᵒ, in vigilia Laurentii martyris, indictione IXᵃ.
(1) Vgl. KN01, Nr. 44.
(2) Hierbei handelt es sich also um eine modifizierte Form der üblichen Schadennahme bei jüdischen oder christlichen Geldleihern. Im vorliegenden Fall nahm der Kläger somit für die eidfreie Zeit auf Schaden des Beklagten, d. h. unter Zinsen, Gelder bei Juden auf. Zur Deckung und Absicherung der Juden sollte das hinterlegte Pfand dienen, welches vom Schuldner wieder ausgelöst werden musste. Der christliche Gläubiger wurde durch diese Regelung zwar zunächst bevorteilt, doch garantierte die Folgeklausel, dass der Schuldner im Falle eines juristischen Sieges für die Kosten der Schadennahme entschädigt werden sollte.
Überlieferung:
Stuttgart, HStA, Best. B 198, U 3, Orig., lat., Perg.
- Württembergisches UB 7, Nr. 2415, S. 296-303;
- Ulmisches UB 1, Nr. 194, S. 230-235;
- Deutsche Stadtrechte, Nr. 352, S. 500-505;
- Jäger, Verfassung (1831) , Nr. 8, S. 729-734.
- Quellen zur Geschichte der Juden in Stuttgart und Ludwigsburg, Nr. 15, S. 27;
- Württembergisches UB 10, Nr. 4886, S. 519.
- Scholl, Judengemeinde (2012), S. 71-73;
- GJ 2, 2, S. 843 f;
- Dicker, Geschichte (1937), S. 9 f.
Kommentar:
Am 15. Mai 1300 wurde das Ulmer Stadtrecht um einen Nachtrag ergänzt, welcher ebenfalls eine Bestimmung über die Juden enthält; vgl. KN01, Nr. 56. Für den Ursprung des Ulmer Stadtrechts unter König Rudolf von Habsburg und Hinweise auf weitere Stadtrechtszusammenstellungen vgl. KN01, Nr. 3.
(Christian Scholl und Michael Schlachter) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020
Zitierhinweis
Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 45, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-005a.html (Datum des Zugriffs)
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