Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 109

1316 April 20

Ein mutmaßlich verfälschter Bericht, der keinen Aussteller und kein Ausstellungsdatum nennt, schildert einen missglückten Überfall auf die Stadt Ulm an den zwölften Kalenden des Mai 1316 (anno ab incarnacionis domini millesimo tricentesimo sexto decimo duodecimo kalendas maii) (1). Diesem Bericht zufolge fiel die Stadt nachts durch die Hilfe eines treulosen Juden (medio noctis silencio per murum civitatis clam subintrantibus, iudeo perfido ipsis auxiliante, et facta igitur ex hac traditione inter cives sedicione permaxima) in die Hand der Feinde, woraufhin sich ein großer Aufruhr unter den Ulmer Bürgern ereignete. Doch schon tags darauf wurde die Stadt mit Hilfe des Grafen Ulrich von Schelklingen sowie des Ritters Burchard von Ellerbach wieder befreit und die Feinde in die Flucht geschlagen. Anlässlich der Rettung ihrer Stadt stifteten die Ulmer alljährlich zum Jahrestag des Überfalls eine Messe zu Ehren der Jungfrau Maria, der sie ihre Befreiung verdankten.

(1) 1316 April 20.

Überlieferung:

Erlangen, UniBib, Ms. 630, Innenseite des Einbanddeckels, Abschr. (14. Jh.), lat., Perg.

Kommentar:

Zum Hintergrund dieses Berichts gehört der Umstand, dass Ulm nach der Doppelwahl von 1314 die einzige Stadt in Schwaben war, die den habsburgischen Kandidaten Friedrich den Schönen und nicht den Wittelsbacher Ludwig als König anerkannte. Insofern ist davon auszugehen, dass im Jahr 1316 tatsächlich Truppen König Ludwigs des Bayern einen Überfall auf Ulm unternahmen. Dass dabei jedoch ein verräterischer Jude den Feinden Ulms Einlass in die Stadt gewährte, ist überaus unwahrscheinlich. Schließlich hätten die christlichen Einwohner Ulms einen solchen Verrat mit Sicherheit gerächt, worauf in den Quellen allerdings nichts hindeutet; vgl. GJ 2, 2, S. 845. Zur Aussöhnung zwischen der Stadt Ulm und König Ludwig kam es erst 1323, nachdem dieser sich im Jahr zuvor in der Schlacht bei Mühldorf gegen seinen Rivalen Friedrich hatte durchsetzen können; vgl. Keitel, Bevölkerung (1997), S. 98 f. Neben diesem Bericht erzählen eine anonyme Chronik sowie die Chronik des Schuhmachers Sebastian Fischer, die aus dem 15. beziehungsweise 16. Jahrhundert stammen, von diesem bayrischen Überfall und dem Verrat eines Juden; vgl. Anonyme Chronik von Ulm, S. 29, und Sebastian Fischers Chronik, S. 43. Zur anonymen Chronik vgl. Graf, [Art.] Ulmer Annalen, Sp. 1581-1583, sowie Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, [Art.] Chronik, Ulmer. Es ist jedoch davon auszugehen, dass beiden Chroniken im Wesentlichen der oben genannte lateinische Bericht als Vorlage diente.

(Christian Scholl) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 109, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-005t.html (Datum des Zugriffs)

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