Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 62

1307 August 15

Graf Christian IV. von Oldenburg (Cristianus dei gratia comes in Aldenborch) verkauft dem Kloster Hude (monasterium in Hudha) seine Mene genannten Güter in Klein-Dalsper für 150 Mark Bremer Währung (bona nostra vulgariter dicta Mene sita in Minori-Dalsebe … pro centum et quinquaginta marcis Bremensis argenti et ponderis) und überlässt dem Kloster zudem für eine Rente von fünf Mark Bremer Währung (pro redditibus quinque marcarum Bremensis ponderis et argenti) seine Güter, die Freierbe genannt werden, in einem Jodenstrate genannten Ort (bona nostra vulgari nomine dicta Vrijerve sita in loco dicto Jodenstrate) sowie für eine gleich hohe Rente eine Parzelle, genannt Stück, in Oldenbrok (in Oldenbroke). (1) Der Aussteller kündigt sein Siegel und die seiner Verwandten an.

Datum anno domini millesimo tricentesimo septimo in Assumptione sancte Marie virginis gloriose.

Rückvermerk:

De menis in Dalse et vrierve et frusto in koldewarde vel iodenstrate

(1) Zu den Orten vgl. Muhle, Kloster Hude (1826), S. 39 f. (Dalsper), 43 (Jodenstrate), 48 (Oldenbrok). Das Oldenburgisches UB 4 lokalisiert die Freierbe genannten Güter in der Ortschaft Coldewey, Gemeinde Ovelgönne, Gemarkung Strückhausen.

Überlieferung:

Oldenburg, LA, Best. 23-2, Urkunde 110, Orig., lat., Perg.

Kommentar:

Dünzelmann, Gaste (2001), S. 67, bringt einen Jodenstrate genannten Ort - dem Oldenburgischen UB folgend - mit einer gleichnamigen 'Straße' aus weiteren Nachweisen zusammen:

1. Einer Urkunde von 1272 (Oldenburgisches UB 4, Nr. 30, S. 22: Platea Judeorum im neuen Brok Linerbrok - in Novapalude Linerebroke);

2. Einer Urkunden von 1287, abschriftlich in der sogenannten Rasteder Chronik überliefert (Oldenburg, LA, Best. 23-1 Ab Nr. 1, S. 101; Abschr. 1361-1379; vgl. das Regest in Oldenburgisches UB 4, Nr. 42 S. 27): Die Oldenburger Grafen Otto und Johann schenken zum Gedächtnis des Grafen Christian und dessen Gattin Jutta dem [Benediktiner-] Kloster Rastede zwei Stücke von Dudo bestelltes Land in Nyenbroke und ein Stück von Hoger bebautes freies Land, gelegen in einem Ort, der Judenstraße (?) genannt wird (duas agros in Nyenbroke, quos colit Dudo, et terram liberam, quam colit Hogerus, sitam in loco qui dicitur Iudenstrate (?)). Die Lesung von Iudenstrate ist nicht eindeutig, eine Fehlinterpretation des ca. hundert Jahre später tätigen Abschreibers ist möglich.

3. Einer Urkunde für das Kloster Hude vom 1. Juli 1342 (Oldenburg, StA, Best 23 Urk; Oldenburgisches UB 4, Nr. 453, S. 190), in der allerdings - anders als vom Oldenburgischen UB impliziert und von Dünzelmann übernommen - 'Judenstraße' keine Erwähnung getan wird. Dort wird als Ortsbezeichnung lediglich Col(d)ewarde bzw. Kolde(n)warde benannt, was vom Oldenburgischen Urkundenbuch mit der hier im Zusammenhang auftauchenden Ortsbezeichnung Korteland gleichgesetzt und als Coldewey (bei Brake) identifiziert wurde.

Die Belege sind als (ehemalige oder bestehende) Ansiedlung von Juden in der Gegend gedeutet worden. Kohl, Juden (1925), S. 5 hat eine Verbindung mit den Stedingerkriegen (1229-1234) herstellt und damit eine für den Raum äußerst frühe Ansiedlung von Juden vermutet. Ihm ist Trepp, Oldenburger Judenschaft (1973), S. 18 f. (mit Anm. 2) gefolgt, der in den Juden sogar Vertriebene der Kreuzzugspogrome in den Rheinlanden erkennen will und ihre Niederlassung auf den Anfang des 12. Jhs. datiert. Später seien dann diese Juden nach Oldenburg abgewandert. Vgl. dazu die kurze Einschätzung bei Aschoff, Spuren (1979), S. 306, Anm. 2. Denkbar wäre allerdings auch eine, für die Wesermarsch nachvollziehbare, hdyronomische Deutung des Wortes - vgl. dazu Allmers, Curt, Besprechung zu George A. Löning, Juden im mittelalterlichen Bremen und Oldenburg, in: Bremisches Jahrbuch 38 (1939), S. 271 f. - bzw. die Interpretation als volksetymologische Verballhornung bei Pieken, Stand der Siedlungsforschung (1993), S. 17-20, also eine Auslegung ohne jeglichen Bezug auf Juden. Vgl. zur Deutung auch die Erklärung bei Ey, Landesausbau (1991), S. 21; zu Judenwegen allgemein vgl. Rösch, Judenweg (2009).

Die Judenstraße bzw. ein gleichnamiger Ort taucht in den Quellen nochmals in einem Beleg vom 23. Mai 1344 (NO01, Nr. 242) auf.

(Johannes Deißler) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 62, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-000l.html (Datum des Zugriffs)

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