Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 69

1311 Dezember 15

Der Rat der Stadt Wismar verkündet, dass der zwischen Heinrich von Mecklenburg (inter nobilem virum Hinricum Magnopolensem et Stargardie dominum) und der Stadt Wismar herrschende Dissenz und Streit auf Vermittlung von Herzog Waldemar von Schleswig und Nikolaus von Werle (mediante consilio et auxilio illustris principis domini Woldemari ducis de Sleswich et nobilis viri domini Nýcolai de Werla) beigelegt ist. Wismar muss die an die Stadt verpfändeten Mühlenrechte entschädigungsfrei an den Fürsten zurückgeben ebenso die Vogtei und den Zoll. Die Stadt hat Händlern freien Zugang zu gewährleisten. Ferner wird der Fürst sechs Judenfamilien, sogenannte Hische (1), in der Stadt halten, nach dem Recht und Nutzen wie er und seine Vorfahren es früher hatten (Item sex familias hische dictas iudeorum habebit in civitate nobiscum tali iure et utilitate, sicut habuit temporibus suis et sui progenitores). Wenn weiterhin fürstliche Beamten, Müller, Zöllner, Münzer, Juden und andere Offiziale, denen er die Ausübung eines Amtes aufgetragen hat, in ihrer Funktion ein Delikt begehen, wird der Fürst diese nach seinem eigenem Recht verurteilen, bei Vergehen außerhalb ihrer Amtsausübung wird der Vogt zusammen mit den Wismarer Stadträten richten (Item advocati, molendinarii, thelonarii, monetarii, iudei et alii sui officiales (2), quibus duxerit officia committenda, si in suis officiis excesserint, iure suo proprio iudicabit; et si predicti extra sua officia excesserint, advocatus una cum consulibus iudicabit). Alle in diesem Krieg erlittenen Schäden bei beiden Parteien gelten als völlig erledigt (mortua). Ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Helfern (3) darf die Stadt Wismar auf dem Wasser mit einer Kogge und einer Schnigge (jeweils mit Booten), innerhalb deren Mauern und Befestigungen mit Beistand nachkommen. Der Stadt gewährte Privilegien wird der Fürst achten. Die Bürger Wismars werden ihrem Herrn, dem Fürst von Mecklenburg, die schuldige Treue erweisen.

Datum anno domini MᵒCCCᵒXIᵒ, feria IIIIᵃ post Lucie virginis proxima.

(1) Das aus dem Mhdt. stammende Wort hisch beziehungsweise hische bedeutet Familie, Familiengemeinschaft, Hausgemeinschaft, Ehepaar mit den Familienangehörigen und dem Gesinde.

(2) Eine Urkunde Heinrichs I. von Mecklenburg für die Stadt Wismar vom 14. April 1266, die u. a. den Gerichtsstand der fürstlichen Bediensteten bestimmt (MUB 2, Nr. 1078, S. 294), kennt eine vergleichbare Zusammenstellung: Preterea si officiales nostri, videlicet advocati, monetarii, thelonearii, molendinarii, judei quoque et singuli curie nostre officiis prefecti, quibus vices nostras explendas committere duxerimus, in officiis quibuscumque sibi a nobis deputatis deliquerint, nolumus modis omnibus, quoniam ipsorum correctionem ad nos spectare discernimus, ut pro hiis delictis coram civitatis iudicibus aut consulibus parere compellantur.

(3) Gemeint sind die neben Wismar die dem Städtebund zugehörenden Städte Rostock, Stralsund und Greifswald.

Überlieferung:

Schwerin, LHA, Best. 1.4-2/33, Nr. 1, Orig., lat., Perg.; Wismar, StadtA, Abt. VI., Rep. 1, A 1, fol. 11r/v, Nr. 12 (Abschr., 14. Jh., gekürzt).

Kommentar:

Es handelt sich um den Friedensvertrag zwischen der Stadt Wismar und Heinrich II. von Mecklenburg in einer Episode des sogenannten Norddeutschen Markgrafenkrieges (1308-1317). Nachdem sich die Stadt - der Mecklenburgischen Reimchronik Ernst von Kirchbergs zufolge (Mecklenburgische Reimchronik, S. 342 f.) - im Jahr 1310 geweigert hatte, die Hochzeit von Heinrichs Tochter Mechthild mit Herzog Otto zu Braunschweig-Lüneburg in der Stadt zu veranstalten, zog dieser gegen Wismar. Nach direkter Belagerung seit Mitte Juli unterwarf sich Wismar Ende 1311; vgl. Mecklenburgische Reimchronik, S. 345-350; Vitense, Geschichte (1920), S. 107 f.

Von der Übereinkunft hat sich neben der hier zugrunde gelegten längeren, von der Stadt an den Fürsten gelangten Fassung auch eine kürzere, an die Stadt übergebene Urkunde erhalten, die eine Abschrift im Privilegienbuch der Stadt Wismar erfahren hat. Diese führt allerdings die Zugeständnisse der Stadt an den Landesherrn nicht auf.

(Johannes Deißler) / Letzte Bearbeitung: 11.05.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 69, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-000t.html (Datum des Zugriffs)

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