Quellen zur Geschichte der Juden in den schwäbischen Reichsstädten Esslingen, Nördlingen und Ulm (1273–1347)

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Schwäbische Reichsstädte (Esslingen, Nördlingen, Ulm) 1, Nr. 38

1331 November 21, Nürnberg

Kaiser Ludwig der Bayer teilt dem Ammann, dem Rat und den Bürgern von Nördlingen mit, dass er den dort lebenden Juden die Gnade verliehen habe, über boesse, schedliche und buͦswirdige Jüdinnen und Juden, die zuͦ in kumt, Recht zu sprechen. Nach der Gewohnheit der Augsburger Juden (1) sollen demnach vier ehrbare, in Nördlingen ansässige Juden (vier erber gesessen juden) gemäß ihrem Recht einen Eid sprechen, um zu belegen, dass der Angeklagte boes, schedlich oder buͦswirdich ist und das Maß der Leibesstrafe festsetzen. Als mögliche Strafen werden das Ausstechen der Augen, das Abhauen eines Gliedes sowie das Ertränken in einem Sack genannt (es si augen aus ze stechen oder lide abe ze sniden oder seken). Den christlichen Autoritäten der Reichsstadt gebietet der Kaiser, die den Juden verliehene Strafjustiz nicht zu behindern, sondern vielmehr die Juden zu unterstützen und die Strafen zu vollefueren und [zu] vollepringen, also zu vollstrecken. Das Privileg soll bis zum Widerruf des Kaisers Gültigkeit besitzen. Siegalankündigung Ludwigs.

Der geben is ze Nuͤrenberch in der stat an dem durnstag vor sant Chatherinen tag, do man zalt von Gotes gebuͤrt truzehenhundert jar und in dem ain und trizigosten jar und in dem sùbentzehenden jar des Richs und in dem vierden jar des cheisertums.

(1) Ein entsprechendes Dokument für die Augsburger Juden ist nicht überliefert.

Überlieferung:

Augsburg, StA, Reichsstadt Nördlingen, U 4, Orig., dt., Perg.; ebd., L 1, fol. 27r-28r (16. Jh.); Nördlingen, StadtA, Bestand Ordnungen und Rechte, fol. 27v-28r (15. Jh.).

  • Dohm, Juden (2006), S. 226 f.;
  • MGH Const. 6, 2, Nr. 175, S. 107 f.
  • Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern 5, Nr. 151, S. 71 f.;
  • Dokumentation zur Geschichte der Juden in Schwaben, S. 51;
  • Schmidt, Judeneide (1976), Nr. 6, S. 333;
  • Urkunden der Stadt Nördlingen, Nr. 129, S. 40;
  • Regesten zur Geschichte der Juden in Deutschland, Nr. 86, S. 36.
  • Dohm, Juden (2006), S. 46-50;
  • Mütschele, Juden (1996), S. 124;
  • Bork, Politik (1982), S. 39 f;
  • Kudorfer, Nördlingen (1974), S. 120;
  • GJ 2, 2, S. 594;
  • Müller, Aus fünf Jahrhunderten 1 (1898), S. 10.

Kommentar:

Das dem jüdischen Gericht von Nördlingen zugesprochene Recht, Leibesstrafen bis hin zur Hinrichtung zu verhängen, ist als ein sehr seltenes Privileg anzusehen. Für das Reich ist ein ähnliches Mandat lediglich für die Juden der Reichslandvogtei Elsass vom Jahr 1421 überliefert. In jenem Jahr gestattete Pfalzgraf Ludwig III. den dort lebenden Juden, mittels ihres Gerichts die Todesstrafe zu verhängen; vgl. Mentgen, Studien (1995), S. 321. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Todesstrafe tatsächlich verhängt wurde; zumindest ist für den gesamten aschkenasischen Raum im Mittelalter kein Todesurteil eines jüdischen Gerichts belegt, weder für Nördlingen noch für das Elsass; vgl. ebd.

(chs.) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2011, SR01, Nr. 38, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/SR01/CP1-c1-013d.html (Datum des Zugriffs)

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