Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Worms (1273-1347)

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Bm. Worms 1, Nr. 36

1288

Hermann von Minden, Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner, beauftragt einen ungenannten Adressaten brieflich, wegen der Judenschulden der Dominikaner zu Zofingen mit den Vorstehern der Mainzer und Wormser Judengemeinden zu verhandeln (Commissio contra iudeos de facto Zovingensi).

Nachdem er seiner Besorgnis über den ruinösen Zustand [des Konvents] der Dominikaner in Zofingen Ausdruck gegeben hat (Cum statum fratrum Zovingensium recogito, ab intimis traho suspiria ad Deum, levans oculos, sub cuius manu potenti hesitat hec ruina), teilt er seine Ansicht mit, dass [deren] jüdische [Gläubiger] milder gestimmt werden könnten, wenn sie über die grausame Verfolgung [seiner Mitbrüder] durch die Kanoniker [in Zofingen] genauer informiert würden (Credere autem oportet propter atrocitatem persequutorum, quod iudei clemenciores inveniantur canonicis, si de facto plenius instruantur). Er rekapituliert, dass der Graf von Frohburg [den Juden] die Zinsen schuldete, [die die Juden nun fordern,] aber den Dominikanerbrüdern sein Haus in Zofingen verkauft und gleichzeitig verfügt hat, dass diese seine Judenschulden übernehmen müssten (Cum comes de Vroburch esset debitor usurarum, fratribus domum suam in Zovingen vendidit et simul, ut ipsum a iudei [!] quitum efficerent, ordinavit). Die Mönche hätten diesbezüglich getan, was sie vermochten, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre Kirche [durch die feindlichen Chorherren des Zofinger Mauritiusstifts] zerstört worden sei und sie gleichsam zu Vaganten wurden (Fecerunt, quod potuerunt, usque ad tempus, quo fratrum ecclesia fuit destructa, et ipsi fratres quasi vagi et profugi morabantur). Um für die Brüder alles noch schlimmer werden zu lassen, dächten nun die zwecks Tilgung der Restschuld [zum Einlager verpflichteten] Geiseln (Schuldbürgen) schon an 'Zahn und Bauch' (1); was [vom Besitz des Zofinger Dominikanerklosters] noch übrig sei, werde damit unvernünftigerweise auch noch verwüstet, was dem Orden zur ewigen Schande gereiche (Nunc autem, ut concidantur vulnere super vulnus, pro residuo solucionis obsides parant dentem et ventrem; ut, quod eruca reliquid, vastet brutus et ordini affigatur opprobrium perpetuis temporibus non delendum). Daher hofft Hermann sehr, dass sich der Adressat nach Mainz und Worms zu den Vorstehern der Juden (Magunciam et Warmaciam ad achisinagogos [!] et primates iudeorum) begibt und sie inständig bittet zu verhindern, dass der [Dominikaner]orden zuschanden werde, denn das würde den Juden nicht zum Vorteil gereichen (instancius petiturum, quatenus preveniant, ne ordo predictus penitus, quod eis non proderit, confudatur). Die ins Einlager ziehenden Ritter würden die wenigen verbliebenen Brüder hinauswerfen, und dann seien diese zu nichts mehr verpflichtet (Intrantibus enim militibus obstagium fratres egredientur, qui ibi pauci sunt, nec aliquid alicuius obligacionis remanebit vinculum super ipsos). Die Gläubiger verlören ihr Geld, und es herrschten keine friedlichen Beziehungen mehr zwischen den Dominikanern und den Juden so wie bislang (Perdunt creditores pecuniam nec unquam e cetero talis erit tranquillitas inter predictos et iudeos sicut fuit hactenus). Mehr noch, würde es den Juden erlaubt sein, sich in diesen Notzeiten zu brüsten, könne man die Klage nicht unterdrücken, dass sie mit den Feinden der Dominikaner konspirierten, um deren Namen schlechtzumachen und zu verbannen zur Schande des Gekreuzigten, und müsse man - sofern nötig - betonen, dass es die Brüder reue, sich als wohlmeinende Vermittler für die Juden eingesetzt zu haben, wann immer die Juden ungerecht verfolgt wurden, und dass sie es bedauerten, so säumig bei der Durchführung des päpstlichen Auftrags gewesen zu sein, den Juden zu ihrem Heil das Wort Gottes zu predigen (immo cum liceat gloriari in tribulacionibus, locum latendi non inveniet clamor noster, quod iudei cum inimicis nostris conspiraverunt, ut nomen nostrum tanquam malum eicerent in odium crucifixi. Quod si fieri oportet, penitet tam benignos ipsorum fuisse interpretes, quotiens indebite vexabantur, penitet, quod tam segnes fuimus executores mandati apostolici, cum ipsis ad salutem proponere debuimus verbum Dei). (2) Er, der Provinzial, besitze immer noch die entsprechende Bulle. Werde diese erneuert, würde der Eifer dafür [diesmal] glühender sein (Adhuc litteram pape bullatam habeo de hoc facto, que si renovat[a] fuerit, cum sit verbum domini alligatum, fervencio[r] zelus erit). Sollten die Juden sagen, dass auf den Namen (beziehungsweise zu Lasten) des Grafen [von Frohburg] und nicht der Brüder Einlager geleistet werde, sei das die Unwahrheit, da durch die Neuregelung die Schuldenlast auf den Orden übergegangen sei; die Juden hätten ja auch von letzterem und nicht vom Grafen schon mehrere Mark [Silber] für solche Unkosten angenommen. (Si dixerint, quod nomine comitis sint obsides recipiendi et non fratrum, vanitas est, nam per novacionem transivit onus debitorum ad ordinem, a quo et non a comite acceperunt marcas plurimas in solutum pro tantorum dispendiorum cautela). Der Adressat nun soll es sich angelegen sein lassen, mit den Synagogenvorstehern und ihren Gemeinden und anderen Juden, bei denen es aus seiner Sicht etwas nützen könne, effektiv zu verhandeln, da es diesen gebühre, die vertriebenen und gewaltsam ausgeraubten Brüder um Gottes wegen zu schonen, der ihre Väter aus dem 'eisernen Ofen Ägyptens' herausgeführt habe, falls sie wirklich so fromm seien (Vobis hanc duxi sollicitudinem committendam, ut cum predictis archisinagogis et congregacionibus ipsorum ac aliis, ubi vobis expedire videbitur, tractetis efficaciter, quare fratribus expulsis et per violenciam spoliatis parcere debeant propter Deum, qui patres ipsorum eduxit de fornace ferreo Egipti, si qua ipsis sunt viscera pietatis). Hermann will, dass der Adressat, sofern es nötig sein sollte, kraft vorliegenden Schreibens als Prokurator für den Prior und die Brüder in Zofingen in Anwesenheit geeigneter Männer schwört, dass die Mönche zur Zeit dieser Verfolgung [durch die Kanoniker] nicht solvent sind, sondern erst bezahlen werden, sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt (Volo enim, quod auctoritate presencium constituatis, si opus est, procuratorem ad iurandum in animas prioris et fratrum Zovingensium coram viris ydoneis, quod fratres non sunt solvendo tempore persecucionis huiusmodi, set solvent, cum primum obtulerit se facultas). Er darf dabei mit den Juden übereinkommen, ihnen für die Restlaufzeit der Schulden für je zehn Mark pro Jahr eine Mark [als Zins] zu garantieren (Potestis etiam cum ipsis convenire per hunc modum, quod fratres se obligent ad solvendum pro X marcis annis singulis unam marcam, donec totum debitum sit exhaustum). Könne er indes bei den Juden auf keinerlei Gefälligkeit stoßen, solle er das Schreiben des Papstes sehen lassen, in das eine Kautele zum Schutz der Häuser und Orte von Hermanns Orden aufgenommen wurde, und um des Rechts der Römischen Kirche und der Gerechtigkeit für die Dominikaner willen gegen die Gemeinschaft der Juden und insbesondere gegen die Juden von Zofingen und Luzern an den Apostolischen Stuhl appellieren, wobei alles Unternommene durch Siegel und Zeugen konfirmiert werden müsse (Si vero nullam potestis apud ipsos gratiam invenire, ostendatis litteras pape, in qua sibi cautelam assumpsit domorum nostrarum pariter et locorum, et extunc pro iure Romane ecclesie et pro nostra iusticia contra universitatem iudeorum et expresse contra iudeos Zovingenses et Lucerienses ad sedem apostolicam appelletis, quicquid inde feceritis, sigillis et testibus roborantes). Mittels vorliegenden Schreibens setzt Hermann den Adressaten in allem, was konkret den besagten Auftrag angeht, und in sonstigen damit zusammenhängenden Angelegenheiten, die sich ergeben könnten, als seinen Prokurator bzw. Rechtsvertreter ein und erklärt alles, was dieser unternehmen wird, für in seinem (Hermanns) Namen gültig. Abschließend legt letzterer allen Prioren und Brüdern der Dominikaner, die der Adressat in dieser Angelegenheit um Rat und Hilfe bitten werde, auf, diesem gemäß der ihm gegebenen Gunstbezeigung gehorsam zu sein (In premissis omnibus et aliis casibus hoc negocium contingentibus vos procuratorem sive syndicum constituo per presentes, ratum et gratum, quicquid inde feceritis, habiturus. Priores etiam et fratres, quos pro ista causa consilium et auxilium prebituros requisiveritis, vobis obtemperare iuxta datam sibi gratiam tenebuntur).

(1) Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae III, q. 80, a. 3, arg. 1.

(2) Vgl. zu dem hier angesprochenen Breve Vineam Sorec zur Judenmission von Papst Nikolaus III. aus dem Jahr 1278 Schreckenberg, Adversus-Judaeos-Texte (1994), S. 280-285, und EL01, Nr. 6.

Überlieferung:

Berlin, Staatsbibl. Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. oct. 109, fol. 148r/v, Abschr. (gleichzeitig?), lat., Perg.

(Gerd Mentgen) / Letzte Bearbeitung: 14.09.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, WO01, Nr. 36, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WO01/WO-c1-006t.html (Datum des Zugriffs)

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