Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 46

[um 1300]

Quod meritorium est sequi corpus Christi

Est civitas grandis et populosa in extremis Saxonie partibus que Stadium nuncupatur non procul ab occeano super fluvium Swingam sita ad dyocesim Bremense pertinens, ubi contigit in quadam dominica hoc quod narro. Due sunt civitates hinc et inde, quas predictus dividit fluvius, qui valde latus est et profundus et lignei pontes de parte transeunt ad aliam (1). Canonicus igitur quidam Gotfridus nomine magne vite, cum per pontem transiret, corpus Christi deferens ad infirmum subito ventus vehemens irruit et statuas pontis deiecit, sicque pons corruens et plusquam quingenti homines utriusque sexus, qui sacerdotem sequebantur, una cum sacerdote in fluvium ceciderunt. Omnes autem mercatores, qui sub ponte erant, in navibus oppressi perierunt. Et quamvis in turba, qui Christi corpus sequebatur et in aquam ceciderat, multi essent pueri et puelle quingenni (2) et septennes, nichil tamen eis omnino nocuit immo nec gutta aque in eorum vestibus apparuit, sed omnes sani una cum presbitero evaserunt et maximarum gratiarum actores virginis filio qui eos liberaverat de causa evidenti mortis periculo cum laudibus retulerunt. Iudei vero qui circa pontem erant hec videntes conversi sunt et baptismi gratiam perceperunt.

In einer als Liber lacteus oder Liber liquor bezeichneten, im süddeutschen Raum weit verbreiteten, anonymen zisterziensischen Mirakel- und Exempelsammlung aus der Zeit um 1300 ist auch ein Bekehrungswunder enthalten, dass sich in Stade zugetragen haben soll. Dort soll an einem Sonntag ein Kanoniker namens Gottfried die weit gespannte und hohe hölzerne Brücke über den Fluss Schwinge, der die Stadt durchfließt, betreten haben, um einem Kranken den Leib Christi zu bringen. Als er auf der Brücke war, habe ein heftiger Wind diese zum Einsturz gebracht und der Priester sei mit mehr als 500 Menschen beiderlei Geschlechts, die ihm gefolgt waren, ins Wasser gestürzt. Zudem seien sämtliche Kaufleute, die unter der Brücke waren, in ihren Schiffen zu Tode gedrückt worden. Und obwohl unter denjenigen, die dem Priester gefolgt waren, sehr viele Knaben und Mädchen waren, seien durch ein Hostienwunder alle unverletzt und mit trockenen Kleidern der Todesgefahr entronnen. Die Juden, die bei der Brücke standen und Zeugen des Ereignisses waren, hätten sich daraufhin bekehrt und die Taufe empfangen.

(1) Möglicherweise handelte es sich um die Hudebrücke über die Schwinge, die die Stadt seit dem Zusammenschluss der ursprünglich fünf eigenständigen Stadtteile im Hochmittelalter durchfließt.

(2) Wohl verschrieben für quinquennes.

Überlieferung:

München, BStB, Clm 23420, fol. 130v-131r, Abschr. (14. Jh.), lat., Perg.; zu weiteren Abschriften siehe die Einleitung von in Liber lacteus, S. 13-28.

  • Delcorno, Exemplum (1989), S. 316, Anm. 68 [leicht abweichender Text nach London, BL, Additional 18347 (14. Jh.), fol. 127v].

Kommentar:

Zu den Liber lacteus-Handschriften vgl. die Einleitung der Beschreibung der Stamser Handschrift (Liber lacteus, S. 13-35) (mit weiteren Literaturangaben). Dort befinden sich unter Nr. 348, S. 183, auch das Incipit und das Explicit des hier behandelten Mirakels.

(Jörg R. Müller) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 46, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-00bl.html (Datum des Zugriffs)

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